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Landkreis Wolfenbüttel

Wallanlagen über dem Reitlingstal (Elm)

Gewaltiges Befestigungssystem oder zentraler Kultbezirk?

Epoche: Vorrömische Eisenzeit (?)
Zeitstellung hier: etwa 2500 vor heute (?)
für die älteste Bauperiode



Das Gesamtausmaß der Anlagen rund um das Reitlingstal (westlicher Elm) ist nur durch längere Wanderungen zu erfassen, was hiermit ausdrücklich empfohlen sei. Übersichts- und Detailpläne können die unmittelbare Anschauung nicht ersetzen: Man staunt über die immer noch beträchtliche Höhe der Wallaufschüttungen und die geschickte Ausnutzung der Geländeformen. Die deutlichsten Spuren sind auf der nördlichen Talumrahmung zu erkennen ("Krimmelburg"); dort wird ein Gelände von ungefähr 300 m Länge und 100 m Breite durch einen bis zu 4 m hohen Wall geschützt. Auf der südlichen Talseite wird ein steiler dreiecksförmiger Geländesporn von 450 m Länge durch einen doppelten Sperrwall abgeriegelt ("Brunkelburg"). Die älteren Ausgrabungen konnten die Funktion dieser "Burgen" nicht genau klären.

Das gesamte Liniensystem der Wälle rings um das Reitlingstal ist schon Ende des 19. Jahrhunderts vermessen worden. Wir nehmen eine von Richard Andree 1901 veröffentlichte Übersicht. Wenn auch damals noch Geländeprägungen zu erkennen waren, die mittlerweile undeutlich oder unkenntlich geworden sind, so leidet die an sich sehr anschauliche Darstellung doch unter einem Problem: alle angegebenen Formen erscheinen als zeitlich zusammengehörig. Inzwischen ist aber deutlich geworden, dass auch das hohe Mittelalter seine Spuren hinterlassen hat. Dies betrifft zumindest ein quadratisches Terrain innerhalb der "Krimmelburg" (wahrscheinlich 13.Jh.). Auch der kleinere Ringwall "Wurtgarten" besitzt wahrscheinlich eine eigene Geschichte.

Der Aufbau der hohen Wallschüttungen wurde von H. Lühmann bereits 1905 untersucht. Als ältestes konnten bei der Krimmelburg zwei zeitlich getrennte Mergelschüttungen ausgemacht werden (A, B). Darüber eine noch deutlichere Bodenbildung, Zeichen für eine längere Nutzungspause. In einem Neuansatz erfolgte dann eine beträchtliche Erhöhung mit Bruchstein, möglicherweise wurden dabei auch Trockenmauern errichtet (C). Für Phase A konnten keine datierende Funde gewonnen werden, für Phase B stehen einige Scherben aus der jüngeren Vorrömischen Eisenzeit zur Verfügung, d.h. ungefähr aus den 3 Jahrhunderten vor Christi Geburt. Für Phase C scheint das 8.-10. Jahrhundert nach Christi in Frage zu kommen. Auf dem südlich gelegenen Gelände "Brunkelburg" ergab sich ein ähnlich dreiphasiger Befund. Damit scheint die Zusammengehörigkeit der Wallsysteme auf beiden Talseiten, zumindest in ihren Grundzügen, doch recht gewiss zu sein.

Dass es sich hier um befestigte Dauersiedlungen gehandelt hat, kann aufgrund der Fundarmut im Innenbereich der Wallumgrenzungen fast sicher ausgeschlossen werden. Somit könnte es sich um Fluchtburgen handeln, die nur in Notlagen bezogen worden sind, dann aber einer größeren Bevölkerung kurzfristig Raum geboten haben. Aber auch diese Überlegung stößt schnell an ihre Grenze, bedenkt man die Ausmaße des Gesamtsystems. Es will auch nicht recht einleuchten, warum statt einer einzigen Fluchtburg deren zwei angelegt worden sein sollen, und zwar auf den beiden gegenüberliegenden Talrändern.

Bliebe noch die Möglichkeit eines sehr ausgedehnten Zentralbezirkes mit unterschiedlichen funktionalen Einheiten, wobei auch an kultische Aufgaben gedacht werden kann. Die zu erkennenden Bemühungen um eine Befestigung stehen dem nicht entgegen. Aber ohne systematische Ausgrabungen wird sich keine der anstehenden Fragen wirklich klären lassen.


Bild 1: Das Reitlingstal im Elm. Der Fotostandpunkt liegt etwas unterhalb der "Krimmelburg", der Blick geht nach Südwesten. Gegenüber, von einer Wolke beschattet, das Gelände der "Brunkelburg".

Bild 2: Kleiner Spaziergang im nördlichen Graben der "Krimmelburg". Der Hauptwall, von der Grabensohle her gesehen, erscheint als ein gewaltiges Hindernis.

Bild 3: Übersicht zu den Wallanlagen im Reitlingstal. Aus Andree 1901, S.30, siehe Literaturliste. Norden ist rechts! Links oben das keilförmige Terrain der "Brunkelburg" (hier als Kuxwall bezeichnet). Von dort Sperrwälle in das Tal der Wabe, in dem sich mehrere Teiche befinden. In der Bildmitte der Ringwall "Wurtgarten" und die "Krimmelburg" (in der Zeichnung: Burgwall). Rechts die sogenannten Wendehai-Wälle..

Bild 4: Die "Brunkelburg" liegt auf einem schmal zusammenlaufenden Bergsporn. Zwei Seiten sind durch ziemlich steile Abhänge geschützt. Man erkennt, wie geschickt das vorhandene Relief ausgenutzt wurde.



Lage und Weg


Das Reitlingstal greift tief in den westlichen Elm ein und wird aufgrund der reizvollen An- und Aussichten als Wandergebiet geschätzt. Zugangsort ist Erkerode, knapp 15 km südöstlich von Braunschweigs Innenstadt. Auf konkrete Wegebeschreibungen zu den genannten Objekten muss hier verzichtet werden, da diese reichlich kompliziert ausfallen würden und möglicherweise doch nicht ihren Zweck erfüllen. Stattdessen empfehlen wir eine normale Topografische Karte oder eine Wanderkarte Naturpark Elm-Lappwald. Bereits auf der Regionalkarte 1:100.000 ist das Objekt "Krimmelburg" mit Zuwegen hinreichend bezeichnet, auch der Wall der "Brunkelburg" auf der Südseite des Tales ist als Kulturdenkmal markiert. Größere Maßstäbe bieten dann zusätzlich Details.

| Kartenwerkzeug Darstellung dieser Besuchsstation


Informationsbasis


Gedruckte Literatur
Lauer 1979, 159-165; Führer Archäologie 1997, 289-298 (L. Grunwald), 298-300 (H.-W. Heine); Grunwald 2003 (enthält einen guten Überblick zur älteren Forschung, ist aber in den daraus gezogenen Schlussfolgerungen mit einiger Vorsicht zu betrachten, da diese auf einer äußerst schmalen Materialbasis beruhen)
Vollständige Nachweise in der Literaturliste


Linksammlung


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Autor dieser Seite: R. Slawski
http://www.region-braunschweig.de/archaeo/ao-elm-reitlingstal-01.html, Stand: 3. Dezember 2004