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Stadt Salzgitter, Stadtteil Lebenstedt

Die Neandertaler von Lebenstedt

Eine Jagdstation aus der mittleren Weichsel-Eiszeit

Epoche: Altsteinzeit
Zeitstellung hier: ca. 50.000 Jahre vor heute



Mit dieser Besuchsstation führen wir Sie ausnahmsweise zu einem Ort, an dem keinerlei archäologische Zeugnisse sichtbar vorhanden sind. Der eine Grund dafür liegt in dem besonderen Rang der Funde, der uns in ganz unerwarteter Weise Einblick in die Welt einer altsteinzeitlichen Jägerhorde ermöglicht.

Der andere Grund liegt in der Landschaftsgeschichte. Die entscheidenden Fundschichten traten rund 5 Meter unter dem heutigen Geländeniveau zutage. Die darüberliegenden Sande waren fundleer. Sie sind das Ergebnis von Massenbewegungen während der letzten großen Eiszeitperiode, die in unserem Raum für Dauerfrostboden, Schuttböden und Fließerden sorgte. Das Relief um das kleine Bachtal der Krähenriede hat sich also in den letzten 50.000 Jahren in einem beträchtlichen Maße gewandelt. Der heutige Zustand des einst naturnahen Baches ist erschreckend, was unsere eigene Zivilisation beleuchtet.

Bei der Entdeckungsgeschichte im Winter 1951/52 spielt ein junges Mädchen eine wichtige Rolle, was meistens verschwiegen wird. Dessen Vater, beschäftigt als Truppführer auf der Baustelle Kläranlage Lebenstedt, hatte merkwürdige Knochen mitgebracht (Dezember 1951). Das Kind nahm einige Stücke in die Schule mit. Ferner ist der Biologie-Lehrer zu loben, der erkannte, dass dieses Knochenmaterial nicht aus der Gegenwartszeit stammt. Dem folgten verschiedene Besprechungen und Benachrichtigungen bis hin zum zuständigen Archäologen Dr. Tode. Hervorzuheben ist, dass von Anfang an Fachwissenschaftler der Nachbardisziplinen an der Untersuchung beteiligt wurden.

Das historische Museum der Stadt Salzgitter, untergebracht im Schloss Salder, präsentiert eine im Block geborgene Teilfläche aus der Baugrube, die uns einen Eindruck von dem scheinbar regellosen Durcheinander von Knochen und Gerätschaften am Rande eines flachen Baches vermittelt. Hier wird der Abfallplatz einer Jägerhorde sichtbar, während der Standbereich der Hütten oder Windschirme in geringer Entfernung zu vermuten ist, jedoch nicht ergraben wurde. Die Untersuchung des Fundmaterials durch verschiedene Spezialisten ermöglichte umfassende Feststellungen über die damalige Umwelt. Unter den erbeuteten Tieren überwog das Ren, aber auch Mammut, Bison und weitere Tierarten waren vertreten. Die Funde verweisen auf ein bereits recht kühles, eigentlich schon subarktisches Klima, was durch die Analyse der erhaltenen Pflanzenreste hinsichtlich einer steppenähnlichen Vegetation präzisiert werden konnte. Die Gerätschaften erwiesen sich als erstaunlich differenziert: Klingen, Schaber, Faustkeile, davon einige im halbfertigen Zustand, verschiedene Hacken und angespitzte Mammutrippen, deren einstiger Verwendungszweck umstritten ist.

Bei einer späteren Durchmusterung des Fundgutes wurden zwei Knochenstücke als Teile eines menschlichen Schädels erkannt. Durch weitere Nachbestimmungen sind jetzt sogar zwei Personen identifiziert und können der anthropologischen Gruppe der Neandertaler zugeordnet werden. Der Fundplatz Salzgitter-Lebenstedt besitzt bis heute eine fundamentale Bedeutung für die Neandertaler-Forschung in Deutschland.


Bild 1: Auf der Seite ganz oben, Hintergrundbild, das Bachtal der Krähenriede heute. Darunter die Landschaft vor 50.000 Jahren: der große Fluss, von links kommend, ist die Fuhse, der kleine Bach von rechts die Krähenriede. Museum Salzgitter-Salder.

Bild 2: Blick in die Ausstellung des Städtischen Museums Salzgitter-Salder. Eine ansprechende Präsentation ermöglicht Einblicke in die Welt der Neandertaler und in die Forschungen zum ausgegrabenen Jagdlager.

Bild 3: Funde und Fundschichten aus Salzgitter-Lebenstedt werden im Original gezeigt. Unten eine "en bloc" Bergung, im Hintergrund sogenannte Lackabzüge von den Deckschichten. Museum Salzgitter-Salder.

Bild 4: Rekonstruktion eines Neandertaler-Schädels. Farblich hervorgehoben die aufgefundenen Knochenfragmente. Museum Salzgitter-Salder.



Lage und Weg


Der Fundort, d.h. der entsprechende Abschnitt des Baches Krähenriede befindet sich am nordöstlichen Ortsrand des Salzgitteraner Stadtbezirkes Lebenstedt (vom Verwaltungszentrum in Richtung Broistedt, "Feldstraße", Abzweig "Wildkamp"). Das Gelände der Kläranlage darf nicht ohne Erlaubnis betreten werden.
Das Städtische Museum Salzgitter ist im Ortsteil Salder und dort im Schloss untergebracht, als solches nicht zu verfehlen.
| Kartenwerkzeug Darstellung dieser Besuchsstation

Hinweise Museen
Städtisches Museum Salzgitter-Salder (Internet siehe unten)
Archäologisches Museum Wolfenbüttel, Abtlg. des Braunschweigischen Landesmuseums


Informationsbasis


Gedruckte Literatur
Tode et al. 1982/1991; Forche 1986, bes. 62-69; Rathgen 1998; Auffermann / Orschiedt 2002
(die erstgenannten drei Titel als kleine Auswahl aus der reichen Literatur zum Fundplatz Salzgitter-Lebenstedt, hinzugefügt ein neuerer Überblick zur Neandertaler-Thematik)
Vollständige Nachweise in der Literaturliste


Linksammlung


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| Stadt Salzgitter, Jagdstation der Neandertaler
| Stadt Salzgitter, Museum Salder Kurzinfo zur Abteilung Ur- und Frühgeschichte
| E-Book Weltgeschichte Einführung Anthropologie und Menschheitsgeschichte



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Autor dieser Seite: R. Slawski
http://www.region-braunschweig.de/archaeo/ao-sz-lebenstedt-01.html, Stand: 23. August 2011