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Kreis Quedlinburg

Königstein bei Westerhausen

Bizarre Klippen als Sonnenheiligtum?

Zeit: Jungsteinzeit? Um 3000 v.Chr.?
 



Die Sandsteinfelsen im Großraum Quedlinburg können bizarre Formen besitzen. Sehr feste Steinpartien wechseln auf kurze Entfernung mit unverfestigten Sanden, die schnell der Abtragung unterliegen. Übrig bleiben dann die seltsamsten Gebilde, die hier - aus weiterer Entfernung betrachtet - wie zwei liegende Kamele erscheinen ("Kamelfelsen"). An der Nordseite der Felsmauer finden sich etliche kreisrunde Steinformen von ungefähr einem Meter Durchmesser, deren Funktion oder Zweck völlig rätselhaft ist. Sie werden meistens als kultische Sonnenscheiben gedeutet.

Wer die kreisförmigen Steingebilde, deren Ausformung unzweifelhaft auf menschliches Wirken zurückzuführen ist, das erste Mal sieht, wird wohl unwillkürlich an Mühlsteine denken, die hier im halbfertigen Zustand verblieben sind. Es wirkt so, als hätten die Arbeiter ihre Tätigkeit von einer Stunde auf die andere eingestellt und wären ohne Wiederkehr verschwunden. Hingegen konnte die lokale Geschichtsforschung für die jüngere Zeit keinerlei Hinweise auf eine Mühlsteingewinnung am Kamelfelsen auffinden. Und noch gravierender: Nach Forschungen zur Technik der Mühlsteinherstellung wurde immer deutlicher, dass diese stets erst in einem zweiten Arbeitsschritt zur Scheibe gearbeitet wurden, nachdem zunächst ein passender Block aus dem anstehenden Gestein gelöst war. Das ist verständlich, da man nur durch diese Abfolge in der Lage ist, auch die Qualität der Rückseite zu erkennen. Am Kamelfelsen jedoch stecken die steinernen Scheiben noch fest im Felsverband. - Nach allem, was wir bis jetzt wissen, scheidet eine Mühlsteinherstellung daher aus.

Die Umgebung des Königsteins, die Gemarkungen von Westerhausen und Börnecke, sind als archäologische Fundbezirke in Fachkreisen gut bekannt. Die bisher bemerkenswertesten Funde fallen in das Jahr 1935, abgesichert durch eine Flächengrabung ab 1938, durch die schließlich ein Kollektivgrab (Mauerkammer) freigelegt wurde. Zunächst traten nur wenige Bestattungen zutage, darunter jedoch ein erwachsener Mann, an dem zu Lebzeiten eine Schädeltrepanation durchgeführt worden war. Damit wird die Öffnung der Schädelkalotte bezeichnet, durchgeführt mittels chirurgischer Werkzeuge (in der Steinzeit !). Am Skelett ist abzulesen, dass danach eine Knochenmarkbildung im Operationsbereich erfolgte, was nur möglich ist, wenn die betreffende Person den Eingriff um mehrere Jahre überlebt. Daneben zeigt ein weiterer Schädel die Merkmale einer solch diffizilen Operation, die - so legt es ein ergänzender Fund nahe - in räumlich nicht allzu weiter Entfernung ausgeführt wurde. Der Fundhorizont gehört in die Zeit vor etwa 5000 Jahren.

Man ist versucht, einen Zusammenhang herzustellen zwischen diesem eher medizinischen Befund und den steinernen Scheiben am Kamelfelsen, zumal es auch an weiteren archäologischen Ergebnissen aus der Umgegend nicht mangelt. War der Königstein ein kultisch-medizinisches Zentrum der Jungsteinzeit?


Bild 1: Der Königstein bei Westerhausen aus einiger Entfernung gesehen. Verstehen Sie jetzt, warum man die Sandsteingruppe auch "Kamelfelsen" oder "Großes Kamel" nennt?

Bild 2: Der Sandstein wirkt in vielen Partien dunkel, fast schwarz. Unerwartet auch die Tatsache, dass sich keineswegs gerundete Formen ergeben, sondern vielfach Kanten und Zacken. Was wir hier nicht zeigen, sind einzelne scharf geschnittene Scharten in den höchsten Zonen, durch die man einzelne Sterne anvisieren könnte.

Bild 3: Die Überlegungen, ob es sich hier um eine Kultstätte handelt, stützen sich nicht zuletzt auf solche seltsamen Gebilde, die von Menschenhand in den Stein hineingeschnitten worden sind.

Bild 4: Nur rund einen Kilometer entfernt, Richtung Börnecke, werden derzeit großflächige archäologische Untersuchungen betrieben (Sommer 2003). Bereits die bisherige Fundlage deutet auf eine herausgehobene Bedeutung des Raumes Westerhausen / Börnecke vor vier- bis fünftausend Jahren hin.



Lage und Weg


Lage: Felsen etwa 7 km westlich von Quedlinburg, nordwestlich des Ortes Westerhausen an der Straße nach Börnecke.
Weg: Von der B 6 in Westerhausen abbiegen in Richtung Harsleben / Halberstadt. Noch im Ort links in Richtung Börnecke (Wegweiser, jedoch zunächst sehr schlechte Straße). Nach knapp einem Kilometer ist rechterhand die Felsengruppe zu erkennen.
| Kartenwerkzeug Darstellung dieser Besuchsstation


Informationsbasis


Gedruckte Literatur
Graichen 1991, 347-349 (durchgängig falsch heißt es dort "Königsstein"); Achner / Weber 1994, 64-65; Busch / Laux / Schutkowski 1997 (ausführlich zur genannten Ausgrabung)
Vollständige Nachweise in der Literaturliste


Linksammlung


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Autor dieser Seite: R. Slawski
http://www.region-braunschweig.de/archaeo/ao-westerhausen-01.html, Stand: 3. Dezember 2004