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Wolfsburg: Stadt

  


Mit Salzgitter und Wolfsburg besitzt unsere Region zwei Beispiele für Stadtneugründungen im mittleren 20. Jahrhundert. Die Gliederung im Großen und die Gestaltung im einzelnen, aber auch die städtische Identität, besaßen hier keine älteren Anknüpfungspunkte - in beiden Fällen ein Experiment, ausgelöst durch die nationalsozialistische Industriepolitik.
Wolfsburg ist Großstadt mit rund 120.000 Einwohnern.

Geschichte

Als Geburtsvorbereitung für Wolfsburg kann man die Grundsteinlegung für das Automobilwerk am 26. Mai 1938 ansehen, von Adolf Hitler zeremoniell vollzogen. Der Zeugungsgedanke hieß “Kraft durch Freude” (KdF). Am 1. Juli 1938 wurde die “Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben” gegründet.

Selbstverständlich feiert man in Wolfsburg auch ältere Jubiläumsdaten. Dies geht für die beiden kleineren Städtchen Fallersleben (942) und Vorsfelde (1145), die 1972 bei der Versechsfachung des Stadtgebietes einkassiert wurden, ebenso für die Dörfer im Stadtgebiet und ist auch für die alte Wolfsburg möglich, die 1302 erstmals urkundlich erwähnt wird. Dort waren es die Ritter von Bartensleben, die die Geschichte der folgenden Jahrhunderte bestimmten. Ihnen gelingt es, ein selbstständiges Territorium aufzubauen, das sie durch geschickte Politik zwischen den mächtigen Nachbarn - Brandenburg, Erzbistum Magdeburg und welfische Länder - behaupten können. Man wechselte auch durchaus die Seite, wenn es passend erschien. Einem solchen Affront verdankt die Burg Neuhaus als schnell errichteter Wegeposten der Braunschweiger ihre Entstehung - übrigens ein ganz lohnendes Besuchsziel, rund 5 Kilometer östlich der Innenstadt.

Aus der alten Wolfsburg erwuchs im Laufe des 16. Jahrhunderts ein prächtiges Renaissance-Schloss, das noch heute ein imposantes Beispiel für den Wohlstand jener Zeit bietet. Im Schloss ist heute die Städtische Galerie mit einer breiten Sammlung von Gegenwartskunst untergebracht, ebenso der Kunstverein, in den Nebengebäuden eine anschauliche Präsentation des Stadtmuseums.

Eine historische Entwicklungslinie, die in die Entstehung der heutigen Stadt einmündet, gibt es jedoch nicht. Der Standort für das Automobilwerk wurde durch Karten- und Luftbildauswertungen gefunden und war bestimmt durch Mittellandkanal und Bahnlinie, nicht weit entfernt von der Reichsautobahn Berlin-Hannover-Ruhrgebiet. Im Gebiet, das für die Stadt vorgesehen war, lebten Ende des Jahres 1937 lediglich 857 Einwohner.

Während die Fabrikanlagen sich über 1,5 Kilometer an der Nordseite des Kanals entlang ziehen sollten, war für die Stadt der Raum südlich der Transportwege, rund um den sanft ansteigenden Klieversberg, vorgesehen. Der Entwurf geht auf den österreichischen Architekten Peter Koller zurück, der eine großzügig gegliederte, von zahlreichen Grünanlagen aufgelockerte Stadt plante, die dem Ideal einer Gartenstadt verpflichtet ist.

Der Ausbau der Stadt kam aber bald ins Stocken. Als das Volkswagenwerk 1940 die Produktion aufnahm, baute man anstelle des versprochenen “KdF-Wagens”, für den zehntausende Sparer bereits eingezahlt hatten, Militärfahrzeuge und andere Rüstungsgüter. Schon sehr früh wurden ausländische Arbeiter für die Errichtung des Werkes angeworben. Noch 1938 trafen 2400 italienische Bauleute ein. Den anfangs freiwilligen Arbeitskräften folgten im Laufe des Krieges Dienstverpflichtete, Kriegsgefangene sowie KZ-Häftlinge, von denen viele unter den schlimmen Arbeitsbedingungen zu Tode kamen. Im Jahr 1944 waren im Volkswagenwerk 6.000 Deutsche und 11.000 Ausländer eingesetzt. Nach der Befreiung entstanden auch hier sehr ernste Probleme als Ergebnis der Verschleppung der Ausländer (“Displaced Persons”; jedoch in weit geringerer Anzahl als in Salzgitter).

Weil seitens der Besatzungsmächte kein ernsthafter Wille zur Werks-Demontage bestand, gelang trotz beträchtlicher Zerstörungen eine schnelle Wiederaufnahme der Produktion. Noch im Jahr 1945 baute VW 1.785 Fahrzeuge für die neuen Machthaber. Bereits 1950 lief der einhunderttausendste Wagen vom Band, die halbe Million an “Käfern” war 1953 erreicht. Das Volkswagenwerk wurde zum Symbol des Wirtschaftswunders, die Stadt profitierte davon in jeder Hinsicht.

Bei der Expansion Wolfsburgs blieb das Konzept Kollers aus dem Jahr 1938 - nach einem vorübergehenden Reduktionsplan - weitgehend leitend. Die geplante “Stadtkrone” mit den Repräsentationsbauten von Staat und Partei wurde allerdings aus dem Konzept gestrichen. Zu den bereits errichteten Teilen gehörte die Siedlung am Steimker Berg für die leitenden Angestellten und ein größeres Viertel nahe der heutigen Schillerstraße. Der Rest der “Stadt” bestand im wesentlichen aus Barackenunterkünften. Mit steigender Wirtschaftskraft konnten die neuen Wohnviertel realisiert werden: großzügig angelegt, umgeben von reichlich Grünfläche, gegliedert in überschaubare Einheiten, als deren Maß man den Einzugsbereich einer Schule annnahm; also etwa 5000 Menschen für eine dieser Nachbarschaften. Da man auf Mobilität setzte, erschien die Entfernung dieser Wohngebiete vom Stadtkern, am weitesten bei den “Trabantenstädten” Detmerode und Westhagen, nicht als Problem, genausowenig wie die Zersiedlung der Landschaft. Was aber als schweres Manko empfunden wurde, war das unwirtliche Zentrum der Stadt an der Porschestraße, die sich fast vom Klieversberg bis zu einem nördlichen Knotenpunkt nahe Bahnhof, Kanal und Werk hinzieht.

Das Bild der Porschestraße hat sich in den letzten drei Jahrzehnten beträchtlich gewandelt. Der Autoverkehr ist weitgehend verbannt worden, die ehemalige Straßenschneise bietet sich jetzt als eine gegliederte Abfolge von Teilräumen dar. Neben das ältere Kulturzentrum, ein vorzügliches Bauwerk des Finnen Alvar Aalto, ist das auffällige Kunstmuseum getreten, das sehr beträchtlich zum kulturellen Profil der Stadt beigetragen hat. Es wird für europaweit beachtete Präsentationen der Moderne genutzt.

Wenn Kunstmuseum, Südkopf-Center und Rathauserweiterung das eine Ende der Porschestraße markieren, ist am anderen Ende gerade das “Phaeno” fertiggestellt worden (Herbst 2005), das künftig eine Wissenschaftsvermittlung in entdeckender und spielerischer Weise betreiben wird. Von dort schwingt sich bereits jetzt die Brücke zur sogenannten Autostadt hinüber, die durch ihre Erlebnisangebote zum Publikumsmagnet geworden ist. Die dynamische Entwicklung mit einer ganzen Reihe von weiteren neuen Einrichtungen ist auf ein Kooperationsmodell zwischen dem Volkswagen-Konzern und der Stadt zurückzuführen (“Wolfsburg AG”). Auch von der Bevölkerung ist dies als ein Zeichen des Aufbruchs verstanden worden, mit dem übergeordneten Ziel, das Wirtschaftsgefüge zu erweitern.

Wolfsburg bleibt als Stadt jedoch abhängig vom Weltkonzern Volkswagen, mit all den Chancen und Risiken, die sich als Folge der wirtschaftlichen Entwicklung ergeben. Der gedankliche Prüfstein lautet: Was wäre, wenn sich die Beschäftigtenzahl bei VW innerhalb von 10 Jahren halbieren sollte? Ist die Großstadt dann ein Fall für den Insolvenzverwalter? Wolfsburgs Stadtbaurat Trommer schrieb 1990 (sinngemäß): Viele Städte sind monostrukturell entstanden, sei es aus besonderer Verkehrsgunst, wegen des Fundes von Bodenschätzen oder durch einen anderen Faktor, und haben sich erst im Laufe jahrhundertelanger Geschichte zu struktureller Vielfalt entwickelt. - Man kann hinzufügen: In diesem Sinne hat Wolfsburg seine Zukunft angesichts einer nicht einmal 70-jährigen Geschichte noch vor sich.

Landschaft

Das innere Stadtgebiet Wolfsburgs stellte bis 1938 einen äußerst dünn besiedelten Raum dar, der sich von den Sandflächen der Allertalung bis zu den südlichen Anhöhen erstreckte. Die geringe Bevölkerungsdichte erleichterte die Landbeschaffung für das Volkswagen-Werk. Entscheidend für die Standortwahl waren jedoch andere Faktoren: die Lage in der Mitte Deutschlands, die Verkehrsanbindung durch Eisenbahn und Mittellandkanal sowie die Nähe zu den “Reichswerken” in Salzgitter.

Für den Fernverkehr bildete die feuchte Allerniederung seit alters her ein Verkehrshindernis ersten Ranges. Ein wichtiger Übergang lag weiter östlich bei Vorsfelde, wo die Distanz quer durch das Stromtal auf 1,5 Kilometer zusammenschrumpft. Der Übergang bei der Wolfsburg, in Sichtweite des heutigen Stadtzentrums, muss als Möglichkeit der zweiten Wahl erscheinen, die schließlich aber eine ernstzunehmende Konkurrenz darstellte. - Mit Vorsfelde, einst zum Land Braunschweig gehörig, ist eine der beiden nahen Kleinstädte genannt, daneben ist das westlich gelegene Fallersleben anzuführen, das bereits zum hannoverschen Gebiet gehörte. Diese älteren Städtchen sind inzwischen nach Wolfsburg eingemeindet.

Das Tal der Aller wird von dem heutigen Fluss nur zu einem winzigen Teil in Anspruch genommen, wenn auch infolge des geringen Gefälles früher ein sehr hoher Grundwasserstand vorherrschte. Eine sehr breite Niederungszone, erfüllt mit Talsanden und stellenweise auch mit aufgewehten Dünen, lässt sich von der Elbe bei Magdeburg durch das Ohretal, dann schließlich entlang der mittleren und unteren Aller verfolgen. Im einst völlig versumpften Drömling östlich von Wolfsburg ist eine Breite von mehr als 10 Kilometern anzugeben, im feuchten Barnbruch westlich der Stadt werden 5-6 Kilometer erreicht. Dementsprechend ist dieser Talzug, der bequemerweise vom Mittellandkanal ab Fallersleben-Sülfeld genutzt wird, als Urstromtal gedeutet worden, in dem zeitweilig die Schmelzwässer vor dem Rand des europäischen Inland-Eises, von Polen und Ostdeutschland kommend, zur Nordsee abflossen. Was allerdings nicht so recht zu diesem Bild passen will, ist die Einschnürung der Talung auf der Strecke zwischen Wolfsburg und Vorsfelde, die doch auf etwas kompliziertere Entstehungsvorgänge hindeutet.

Der Klieversberg am Südrand des neuen städtischen Zentrums bildet den letzten Ausläufer des mitteldeutschen Berglandes gegen die norddeutsche Tiefebene. Dabei sind es weniger die Oberflächenformen, die diese Aussage bestimmen, obwohl sich von dort aus ein sehr guter Überblick ergibt. Vielmehr ist es die Tatsache, dass überhaupt Festgestein anzutreffen ist. Die Landschaften des Nordens hingegen sind aus ungeheuren Mengen von Lockermaterial, meistens Kies und Sand, aufgebaut. Die Steinbrüche am Klieversberg versorgten die nähere Umgebung mit Baumaterial.

Im Südteil der heutigen Stadt Wolfsburg finden sich ausgedehnte Waldungen, wie etwa das Hattorfer Holz und der Wald am Rabenberg. Es handelt sich dabei fast ausnahmslos um einstige Ackerflächen. Der südwestliche Vorposten Wolfsburgs, die Trabantenstadt Detmerode, erhielt ihren neuen Namen nach einem der aufgegebenen mittelalterlichen Dörfer.



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Die oben eingestellten Bilder sind bei einem Weg vom Nordhang des Klieversberges bis in die Porschestraße entstanden. Unterhalb des Theaters (nicht abgebildet) die Kuppel des Planetariums, dann ein Überblick über den "Südkopf", folgend eine Szene vor dem Kunstmuseum. Auf Bild 4 ist rechts angeschnitten das Rathaus zu sehen, in der Hauptsache aber die Dachlandschaft des Alvar-Aalto-Kulturhauses; abschließend noch ein Blick in das Innere dieses berühmten Gebäudes.




Lage und Weg


Wolfsburg liegt rund 25 Kilometer nordöstlich von Braunschweig (Entfernung Wolfsburg von Hannover und Magdeburg jeweils rd. 70 km; Messung stets bis zur "inneren Stadt").
Ortsorientierung, Stadtbummel:

Aus Fahrtrichtung Braunschweig (Auto, Fahrrad) erreicht man zunächst die Trabantenstädte Detmerode und Westhagen. Ein weiterer großer Stadtteil dann am südlichen Rand des Klieversberges, auf dem sich ein Funkturm befindet. Am Nordhang des Klieversberges das kubische Theater (Hans Scharoun, Entwurf 1966), weiter unten die Kuppel des Planetariums. Hier ist der Rand der inneren Stadt erreicht, deren Erschließungsachse die Porschestraße bildet - einst Hauptstraße, jetzt Fußgängerzone. Rechter Hand das monumentale Kunstmuseum aus Stahl und Glas, dann das wesentlich feinere Kulturhaus (Alvar Aalto, Entwurf 1958), dahinter die Rathaus-Bauten. Die gut einen Kilometer lange Porschestraße führt zum Bahnhof. Als neuer Blickfang dient dort das kühn entworfene Sience-Center (Zaha Hadid, Herbst 2005 fertiggestellt). Gegenüber, jenseits des Mittelland-Kanals, die "Autostadt" am Rand des sich nach Westen erstreckenden VW-Werkes. Dem Unkundigen muss man erläutern, dass es sich bei "Autostadt" um ein Präsentationsforum handelt, das in Verbindung mit dem VW-Abholcenter den rechten Geschmack am Automobil vermitteln will. Ein guter Aussichtspunkt auf der Berliner Brücke, nicht sehr weit entfernt in nordöstlicher Richtung: Wolfsburger Schloss, glasverkleidete Sportarena. Hinter dieser liegt übrigens der Allersee mit Badestrand, und zwischen diesem und dem Schloss noch die Gebäude von Badeland und Eissporthalle. Diesseits der Berliner Brücke die romanische St. Annen Kirche, ein Rest des fast verschwundenen dörflichen Kernes von Heßlingen. Tipp für den Rückweg: nicht die Porschestraße nehmen, sondern etwas weiter westlich die Schillerstraße. Hier reihen sich die ältesten Baublocks der Stadt auf, die noch während des Krieges fertiggestellt wurden (Fontanehof u.a.).



Literatur


Der vorliegende Text ist mit geringen Änderungen übernommen aus:
Stefan Jacobasch und Robert Slawski, Mit dem Rad rund um Braunschweig, 3., neu bearb. und erw. Auflage, Braunschweig: Zelter Verlag, 2004



Linksammlung

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| Schloss Wolfsburg

| Burg Neuhaus

| Fallersleben Hier auch zu Hoffmann von Fallersleben





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Verfasser dieser Seite: Robert Slawski
http://www.region-braunschweig.de/kartei/wolfsburg-stadt.html, Stand: 22.12.2005