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Helmstedt: Stadt

  


Eine historisch nicht ganz bedeutungslose Stadt, deren jüngere Geschichte durch Braunkohle und Grenzlage geprägt wurde. Das Stadtbild profitiert bis heute vom Glanz der einstigen Universität (1576-1810).
Sitz des Landkreises Helmstedt, rund 30.000 Einwohner.

Bis 1989 besaß Helmstedt eine recht zweifelhafte Berühmtheit. Der Name war überall bekannt und verband sich mit dem jenseitigen Grenzort zum stehenden Begriff “Helmstedt / Marienborn”, der für die wichtigste Transitstrecke durch die DDR nach West-Berlin stand. Hundertausende fuhren an Helmstedt vorbei, für den Ort selbst interessierte sich kaum jemand.

Inzwischen ist die ehemalige Grenzübergangsstelle eine wichtige Erinnerungsstätte an die deutsche Teilung geworden, die auch von ausländischen Gruppen besucht wird. Einen weiteren Baustein bildet das Zonen-Grenzmuseum, hinzu kommt einer der wenigen erhaltenen Abschnitte des “Kontrollstreifens” nahe Hötensleben. Alles notwendig zur Erinnerung, aber glücklicherweise Vergangenheit.

Bei freundlichem Stadtbild und nicht ganz belangloser Geschichte sucht die Stadt nun nach einer neuen Identifikation, zumal sich die wirtschaftliche Lage nach Fortfall der “Zonenrandförderung” kaum besser darstellt als zuvor. Aber da gab es doch noch eine andere Tradition. Richtig, die einer Universitätsstadt nämlich. 1576 durch den Wolfenbütteler Herzog als welfische Universität eröffnet, gehörte das Juleum bald zu den großen Stätten der Gelehrsamkeit. Im 17. Jahrhundert lag die Studentenzahl zeitweilig an dritter Stelle in Deutschland. Bemerkenswert ist, dass Hauptgebäude und “Collegien” baulich überdauert haben. Aula und Bibliothek sind im sogenannten Novum Juleum zusammengefasst, ein hervorragendes Zeugnis der niedersächsischen Renaissance-Baukunst (Paul Francke, 1592-97). Dort findet man jetzt auch das Kreis- und Universitätsmuseum.

Die Epoche als Universitätsstadt, die ihr Ende mit der Auflösung der Bildungseinrichtung unter napoleonischer Herrschaft im Jahre 1810 fand, hat übrigens noch weitere Spuren im Stadtbild hinterlassen: die Professorenhäuser. Mit ihnen entwickelte sich ein Typus eines besonders großzügigen Bürgerhauses, das zugleich Raum für Beherbergung von Studenten und teilweise auch für Vorlesungen bot. An diesen Häusern verweisen Tafeln auf ihre einstigen Besitzer.

Die Anfänge Helmstedts reichen sehr viel weiter zurück; man nähert sich ihnen bei einem Bummel über das Gelände des Ludgeri-Klosters, das noch im 18. Jahrhundert die Reichsfreiheit betonte (“Kaisersaal”). Angeblich soll einer der frühen christlichen Missionare im Sachsenland, der hl. Ludger, hier um das Jahr 800 eine Predigtstation unterhalten haben. Deren bauliche Überreste hat man in der Doppelkapelle im sogenannten Passhof des Klosters vermutet. Nach Ausgrabungen ist allerdings deutlich geworden, dass dieses doppelstöckige Bauwerk auch in seinem Untergeschoss nicht ganz so weit in die Vergangenheit zurückreichen kann. Die Äbte, die gleichzeitig dem Kloster Essen-Werden vorstanden, waren zunächst auch die Stadtherren über Helmstedt. Bei zunehmendem Selbstbewusstsein der mittelalterlichen Bürgergemeinde häuften sich die Querelen. Schließlich wurde die Stadtherrschaft an die Welfen übertragen.

Den älteren Siedlungskernen war im 12. Jahrhundert eine Vorstadt als Neugründung hinzugefügt worden. Ihren westlichen Vorposten bildet das Kloster St. Marienberg mit der zugehörigen romanischen Kirche. Besonders zu erwähnen ist der erhaltene Bestand an Paramenten - Tücher, Behänge und Gewebe für den liturgischen Gebrauch. Die heutige Paramentenwerkstatt, untergebracht in den alten Klosterbaulichkeiten, bemüht sich um diese Tradition.

Das Spätmittelalter stand in Helmstedt unter dem Vorzeichen der Hanse, die als lockeres Schutzbündnis die Sicherheit von Verkehr und Handel aufrechterhalten sollte. Die Renaissance-Epoche knüpfte fast nahtlos daran an; sehenswert ist die Ausstattung der großen Bürgerkirche St. Stephani, die in jener Zeit erneuert wurde.

Als sich die Zeit der Universität dem Ende zuneigte, war der Keim des Neuen schon gelegt. Aber wer hätte damals sagen können, hier beginnt die Zukunft für Helmstedt, als dem Theologie-Studenten Koch 1794 ein Privileg auf das Schürfen von Braunkohle verliehen wurde? Im Ergebnis brachte dies für die Stadt zum Ende des 19. Jahrhunderts eine breiter gefächerte Industrialisierung, während das 20. Jahrhundert dann ganz unter dem Bannzeichen der Kohle stand. Heute leidet die Stadt unter der monostrukturellen Ausrichtung auf das Großunternehmen BKB (Braunschweigische Kohlen-Bergwerke). Mit den verfügbaren Kohlevorräten geht es zu Ende, übrig geblieben sind riesige Löcher in der Landschaft zwischen Elm und Lappwald, deren künftige Gestaltung mittlerweile zum drängenden Thema wird.


Bei der Aufschließung des jüngsten Tagebaues am Rande von Schöningen hat sich ein erstaunliches Nebenergebnis eingestellt, aufgrund der langjährigen archäologischen Vorarbeiten nicht ganz zufällig, aber in dieser Weise keineswegs abzusehen. Dort traten in tiefen Erdschichten Spuren und Hinterlassenschaften des Frühmenschen zutage, zu denen die ältesten bekannten Jagdwaffen der Menschheit in Gestalt einiger Wurfspeere gehören. Die Zeitstellung der wichtigsten Funde wird mit etwa 400.000 Jahren vor heute angegeben.


Nicht ganz so weit zurück reichen die beiden berühmten Großsteingräber vor Helmstedt, die Lübbensteine. Dafür sind sie als dingliche Zeugnisse in der Landschaft zu besichtigen. Ihre Entstehung fällt in den mittleren Abschnitt der Jungsteinzeit, was sich noch weiter einengen lässt auf etwa 3500 / 3400 vor Christi Geburt.



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Die oben eingestellten Bilder zeigen Stationen auf einem Weg durch Helmstedts Innenstadt, etwa von West (Hausmannsturm) nach Ost ("Türkentor", eigentlich das Hofportal von St. Ludgeri). Um zum Juleum zu gelangen - auf Bild 2 gezeigt -, ist allerdings ein kleiner Umweg nötig. Beachtung sollte man auch den seltsamen Steinen des Marktbrunnens schenken. Fragen Sie doch einfach mal nach, ob es sich um moderne Kunst oder doch um etwas ganz anderes handelt.




Lage und Weg


Helmstedt 35 Kilometer östlich von Braunschweig (Entfernung Helmstedt - Magdeburg: 45 km).
Ortsorientierung, Stadtbummel:

Die Orientierung in Helmstedts Altstadt ist einfach: die Hauptstraße zieht sich vom Hausmannsturm längs durch den Ort Richtung Osten, und man landet am Ende vor dem Hofportal des Klosters St. Ludgeri, von wo der Weg nach rechts zum Bahnhof hinüberführt. Zunächst sieht man aber links die Renaissance-Giebel der einstigen Universität, gerade weiter gehts über den Marktplatz, noch ein Stückchen weiter dann rechts die große Stadtpfarrkirche St. Stephani (sehenswerte Innenausstattung der Renaissance). Kleiner Tipp: Beim Ludgeri-Kloster die Treppe neben dem Kirchportal suchen; man gelangt so auf den tiefer liegenden Passhof mit seiner sehr alten Doppelkapelle. Die Äbte dieses Klosters waren zunächst auch die Stadtherren über Helmstedt, letztlich aber der Querelen überdrüssig; einer ist von den Bürgern sogar erschlagen worden.

Nimmt man vom Hausmannsturm den Weg in die Gegenrichtung, gelangt man zur Klosterkirche St. Marienberg. Bis zu den Lübbensteinen (Großsteingräber) am westlichen Ortsrand ist dann fast genau ein Kilometer zurückzulegen (beschilderter Zuweg von der B 1 aus). Nördlich und östlich der Stadt beginnt bald der Lappwald; dort liegt auch das Brunnental, eine eigenartige Erholungslandschaft mit Teichen, Caféhäusern und einem Theatergebäude.



Literatur


Der vorliegende Text ist mit geringen Änderungen übernommen aus:
Stefan Jacobasch und Robert Slawski, Mit dem Rad rund um Braunschweig, 3., neu bearb. und erw. Auflage, Braunschweig: Zelter Verlag, 2004



Linksammlung

Querverbindung: Weitere Seiten in diesem Informationsprogramm

| Archäologie am Rande der Tagebaue Die ältesten Jagdwaffen der Menschheit

| "Lübbensteine" Großsteingräber am Ortsrand von Helmstedt





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Verfasser dieser Seite: Robert Slawski
http://www.region-braunschweig.de/kartei/helmstedt-stadt.html, Stand: 15.12.2005