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Salzgitter: Stadt

  


Mit Salzgitter und Wolfsburg besitzt unsere Region zwei Beispiele für Stadtneugründungen im mittleren 20. Jahrhundert. Die Gliederung im Großen und die Gestaltung im einzelnen, aber auch die städtische Identität, besaßen hier keine älteren Anknüpfungspunkte - in beiden Fällen ein Experiment, ausgelöst durch die nationalsozialistische Industriepolitik.
Salzgitter ist Großstadt mit rund 110.000 Einwohnern.

Geschichte

Die Entstehung der heutigen Stadt Salzgitter, deren Anfang im Jahre 1937 zu suchen ist und die bereits in den Kriegsjahren mehr als 100.000 Bewohner zählte, ist untrennbar mit dem hiesigen Eisenerz verbunden. Das heißt aber nicht, dass diese Entwicklung zwangsläufig so erfolgen musste; sie erwuchs vielmehr aus der nationalsozialistischen Reichspolitik, durch die das Prestigedenken der regionalen Machthaber hindurchschimmert.

In Salzgitter ist man begreiflicherweise stolz auf den Fund eines sogenannten Rennfeuerofens aus dem 2./3. Jahrhundert n.Chr., der eine Eisenverhüttung schon vor über 1500 Jahren belegt. Aus dem Mittelalter stammen urkundliche Hinweise, wobei damals noch Holzkohle als Feuerung verwendet wurde. Erste moderne Eisenhütten nahmen dann aber ziemlich bald den Weg in die Pleite. Der eigentliche Grund lag in der Beschaffenheit der Erze am südlichen Salzgitter Höhenzug, deren Zusammensetzung als “sauer” bezeichnet wird; bei der Schmelze mittels Steinkohlekoks führt das zur unaufhebbaren Versprödung des Eisens. Erst in den 1930er Jahren konnten großtechnische Verfahren entwickelt werden, die dieses Problem beseitigen. Bis dahin war eine industrielle Verwendung der Unterkreide-Erze nur in Beimischung zu einer kalkigen Erzfazies möglich, wie sie beispielsweise in Lengede, etliche Kilometer nördlich, anstand.

Auf Seiten der Nationalsozialisten, die seit ihrer Machtübernahme 1933 die Wiederaufrüstung betrieben, stellte sich die Situation so dar: gewaltige Erzvorräte im Salzgitter-Gebiet, andererseits die Industriellen an Ruhr und Saar, die wenig Neigung zeigten, sich hier zu engagieren. Der Vierjahresplan von 1936 sollte Deutschland kriegsfähig machen, wozu Unmengen von Stahl gebraucht wurden. Hermann Göring, der mit der Durchführung des Planes beauftragt war, nahm nach einer letzten Drohung an die Privatwirtschaft die Sache selbst in die Hand. Die Gründung der “Reichswerke” wurde gleich mit der Enteignung der Grubenfelder verbunden.

Wo aber die geplanten Verarbeitungsanlagen aufzuführen waren, blieb noch offen. Der damalige NS-Ministerpräsident des Landes Braunschweig, Dietrich Klagges, bemühte sich, den Standort so weit als möglich in Richtung Braunschweig zu verschieben. Der alternative Vorschlag, das Hüttenwerk weiter nördlich bei Hämelerwald auf hannoverschem Terrain, aber dort auf mageren Sandböden zu errichten, wurde unterdrückt. Die Folgen, die sich daraus ergaben, nämlich ein Proteststurm der Bauernverbände gegen die Nutzung des wertvollen Ackerlandes in der Börde, konnten nur mühsam unter der Decke gehalten werden. Göring war verärgert über dieses braunschweigische Manöver, und man kann spätere Entscheidungen über die Stadtplanung Salzgitters nur so verstehen, dass damit die Ansprüche von Klagges zurückgedrängt werden sollten.

Einstweilen aber wurde die Eisenhütte aus dem fruchtbaren Ackerboden bei Watenstedt gestampft, geplant in einer Dimension, die es bis dahin überhaupt noch nicht gegeben hatte. Generaldirektor Paul Pleiger hatte den Deutsch-Amerikaner Brassert verpflichtet, der sein Ingenieursteam aus England und den USA mitbrachte. Fast pünktlich zu Kriegsbeginn floss das erste Roheisen, wenngleich auch nur ein Teil der Anlage fertiggestellt war. Salzgitter blieb die größte Baustelle Europas, deren Bedarf an Arbeitskräften für Ausbau und Produktion zunehmend durch Zwangsarbeiter gedeckt wurde. Insgesamt haben rund 4000 Ausländer den menschenunwürdigen Arbeitseinsatz nicht überlebt - ein schlimmes, düsteres Kapitel.

Währenddessen wurde immer klarer, dass eine verwaltungsmäßige Zusammenfassung nötig war. 1942 wurde die Stadt Watenstedt-Salzgitter formell gegründet, wofür 28 Gemeinden aus zwei Landkreisen in zwei deutschen Ländern zusammenzufassen waren. Die Planung eines Stadtgebildes mit Wohnvierteln und Verwaltungsbauten kam bezeichnenderweise erst in Gang, als die Pläne für Wolfsburg, damals “Stadt des KdF-Wagens”, bekannt wurden. In den Entwürfen wurde schließlich eine neue Großstadt im Fuhsetal bei Lebenstedt projektiert, deren künftige Einwohnerzahl man mit 165.000 veranschlagte. Dies stellte nun keineswegs den erhofften Bedeutungszuwachs für Braunschweig her, sondern erschien als eigenständige Konkurrenz, möglicherweise sogar als künftige Gauhauptstadt. Allerdings bedeutete die Entscheidung für den Standort Lebenstedt nicht, dass neue Wohnviertel nur dort emporwuchsen - was durch die weite räumliche Streuung zu einer gewaltigen Herausforderung für die Stadtplanung der Nachkriegszeit werden sollte. Vielmehr sind neue Wohnungen für Facharbeiter, aber auch einzelne Viertel für leitende Angestellte, an vielen Stellen des Salzgittergebietes “nach Bedarf” entstanden: bei Steterburg für die Eisenhütte; bei Gebhardshagen und der älteren Kleinstadt Bad Salzgitter vor allem für die Bergwerke. Von der Planung für Neu-Lebenstedt wurden nur Rudimente fertiggestellt. Dazwischen erstreckten sich Barackensiedlungen in einer kaum zu überschauenden Zahl. Alle denkbaren Ausführungen waren vertreten: von der Notunterkunft für angeworbene Arbeiter bis zum streng abgeschirmten Konzentrationslager. Die Anzahl von “Displaced Persons” (DPs), also irgendwie aus ihrer eigentlichen Heimat verschlagenen, zwangsrekrutierten oder deportierten Personen, wird wahrscheinlich bei etwa 40.000 gelegen haben.

Die Situation bei Kriegsende war trostlos und sie blieb - anders als in Wolfsburg - lange Zeit ohne Perspektive, da die Alliierten entschlossen waren, die Anlagen zur Stahlerzeugung soweit als möglich abzutransportieren und den Rest in die Luft zu sprengen. Erst massive Proteste von Arbeitslosen, gegen die Panzerwagen aufgefahren wurden, bewirkten im Jahresverlauf 1950 das Ende der Demontage. Recht eigentlich besehen ist dieser Akt des zivilen Ungehorsams die Geburtsstunde des neuen Salzgitter, das im Folgejahr auch offiziell diesen Namen erhielt.

Die weitere Entwicklung, gestützt durch Bundesmittel zur Schaffung einer ersten städtischen Infrastruktur, vollzog sich auf dem Hintergrund eines aufblühenden Bergbaus. Der Spitzenwert der Kriegsförderung von 4,6 Mio. Jahrestonnen (1943) wurde bereits 1952 fast erreicht und stieg in den Folgejahren stetig weiter an. Mehr als 5000 Menschen waren 1957 im Bergbau Salzgitters beschäftigt, ohne die Hütten- und Stahlbetriebe zu rechnen. In den 1960er Jahren wurde dann die Erzförderung zurückgefahren, die Bergwerke nach und nach geschlossen - nicht wegen Erschöpfung der Lagerstätten, sondern aufgrund billigerem Import-Erz, das bis heute im Hüttenwerk Verwendung findet. Vor allem die jüngste und nördlichste der Schachtanlagen, Schacht Konrad, die ein neues Lager von Oberjura-Erzen aufschloss, birgt bis heute riesige Vorräte. Nach dem Ende der dortigen Förderung 1976 ist jedoch in diesem Bergwerk eine Endlagerung von Atommüll ins Auge gefasst worden, die heute in greifbare Nähe gerückt ist. Dabei ist nicht nur ein beträchtlicher Image-Schaden für Salzgitter zu befürchten.

Die ungewöhnliche Geschichte Salzgitters, deren erste Blütephase mit dem Niedergang des Bergbaus beendet scheint, wird im Städtischen Museum im Schloss Salder vorgestellt. Im Hauptgebäude untergebracht sind die sehenswerten Abteilungen Geologie und Vorgeschichte. In den Nebengebäuden werden Zeugnisse ländlichen Handwerks und die besonders wichtige Darstellung zur Stadtentwicklung im 20. Jahrhundert gezeigt.

Landschaft

Die Stadt Salzgitter, die in ihrem Gebietsumfang fast schon einem kleinem Landkreis entspricht, hat Anteil an sehr unterschiedlichen Naturräumen und bietet dementsprechend eine große landschaftliche Vielfalt. Der Norden zwischen Lebenstedt und Thiede gehört zur Braunschweig-Hildesheimer Börde, deren lössbedeckte Ackerböden ihre Fortsetzung finden in der Barumer Mulde zwischen Oderwald und dem südwärts gerichteten Flügel des Salzgitter-Höhenzuges. Der Höhenzug selbst, mit seinem abrupten Richtungswechsel bei Gebhardshagen, bildet die Grenze zum Innerste-Bergland. Im jenseitigen Teil Salzgitters, der zur Ringelheimer Mulde gehört, zeichnet sich bereits die Kammerung in Becken und umrahmende Höhenrücken deutlich ab.

Die nördliche Zone der Stadt ist in weiten Teilen stark industriell überprägt. Neben den geschlossenen Bezirken der Unternehmen, zu denen das Hütten- und Stahlwerk, Motoren- und Fahrzeugwerke von VW und MAN und ein großer Hersteller von Schienenfahrzeugen gehört, nehmen die Verkehrsanlagen einen großen Raum ein: Stichkanal und mehrere Bahnlinien, Eisenhüttenstraße und Werkszubringer und sogar ein Flugfeld neben der Hütten-Hauptverwaltung. Hinzu kommen die Erzaufbereitung, Dämme, Halden und Bergwerke, deren Hauptzahl sich aber entlang des südlichen Höhenzuges aufreihte.

Unter dieser Folie, die vom 20. Jahrhundert über das Land gespannt wurde und zu der auch die großzügige Wohnstadt Lebenstedt gehört, lugt überall die Vorprägung durch eine alte und wohlhabende Agrarlandschaft hindurch. Wenn auch einige der Dörfer, wie etwa Watenstedt, ein schwieriges Schicksal besitzen, so sind in vielen Fällen doch noch die gepflegten älteren Dorfkerne auszumachen und vermitteln plötzlich ein ganz anderes Bild von der Großstadt Salzgitter. Den älteren historischen Mittelpunkt im Norden bildete ehemals der Ort Salder mit seinem Schloss, im Süden die namengebende Kleinstadt Salzgitter, das heutige Salzgitter-Bad.

In welcher Weise auch industrielle Hinterlassenschaften der Natur neue Räume eröffnen können, zeigt beispielhaft der Klärteich III bei Heerte. Diese Wasserlandschaft ist inzwischen zum beliebten Ziel von Ornithologen geworden, die dort von Aussichtsplattformen eine überaus reiche Vogelwelt beobachten können.



Bilder prägen Bewusstsein! Vermissen Sie bestimmte Fotomotive? - In diesem Programm gelten andere Maßstäbe als in der touristischen Stadtwerbung. Zumindest einige Aspekte der alltäglichen Lebenswelt sollten mit den Fotos eingefangen werden.

Die oben eingestellten Bilder zeigen zunächst zwei Ansichten aus der nördlichen Industriezone: Schacht Konrad und die Silhouette des Stahlwerkes aus der Ferne. Die übrigen drei Bilder aus SZ-Lebenstedt: Salzgittersee, "Turm der Arbeit" (J. Weber) in der Fußgängerzone und eine Szene am Rande eines Wohngebietes, das in nationalsozialistischer Zeit entstanden ist.




Lage und Weg


Salzgitter grenzt südwestlich direkt an das Braunschweiger Stadtgebiet. Entfernung Braunschweig Innenstadt bis Schacht Konrad: 12 km, bis SZ-Lebenstedt 18 km, bis SZ-Bad ca. 26 km. Ortsorientierung, Stadtbesichtigung:

Salzgitter gehört zu den eigentümlichsten Großstädten, die Deutschland zu bieten hat. Im Grunde gab es im Norden der heutigen Stadt nur kleine Waldstücke und fruchtbares Ackerland, bis 1937 der Entschluss fiel, ein gigantisches Hütten- und Stahlwerk zu errichten. Die Stadtgründung folgte dem erst später nach, und damit wurden dann rund 30 Dörfer und eine Kleinstadt, nämlich das ältere Bad Salzgitter, zusammengefasst.

Dementsprechend zeigt das Salzgitter-Gebiet bis heute sehr unterschiedliche Gesichter: Bei Steterburg die ältere Geschichte in Gestalt des dortigen Stiftes mit seinen Barockgebäuden, umgeben von kleineren Waldstücken; dann die Industrie rund um das Hüttenwerk (Hauptverwaltung an der “Eisenhüttenstraße”) und den ehemaligen Erzschacht Konrad. Lebenstedt bildet das neue städtische Zentrum und lockt zugleich mit den Freizeitangeboten am Salzgittersee. Die städtische Geschichte wird bei einem Museumsbesuch im Schloss Salder deutlich. Schließlich das “grüne” Salzgitter am gleichnamigen Höhenzug, wobei sich im Norden die Burgruine Lichtenberg als Besichtigungsziel anbietet, im Süden dann die in ein Durchgangstal geschmiegte Kleinstadt Salzgitter-Bad. Von hier aus erreicht man das tausendjährige Kloster Ringelheim.



Literatur


Der vorliegende Text ist mit geringen Änderungen übernommen aus:
Stefan Jacobasch und Robert Slawski, Mit dem Rad rund um Braunschweig, 3., neu bearb. und erw. Auflage, Braunschweig: Zelter Verlag, 2004



Linksammlung

Querverbindung: Weitere Seiten in diesem Informationsprogramm

| Jagdstation der Neandertaler Ausgrabung SZ-Lebenstedt, Präsentation in SZ-Salder (Museum)

| Burg Lichtenberg Mittelalterliche Burgruine, prächtige Aussicht





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Verfasser dieser Seite: Robert Slawski
http://www.region-braunschweig.de/kartei/salzgitter-stadt.html, Stand: 15.12.2005