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Kurzfassung

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Historische Notizen
zur Bezeichnung Ostfalen

   


Im folgenden einige historische Anmerkungen zur Bezeichnung Ostfalen. Am Textende wird auch die gegenwärtige Situation beurteilt.


Gebietskarte
Regionalbegriff

Wandern wir in Gedanken rund 1200 Jahre zurück, so gelangen wir in die Zeit Kaiser Karls des Großen. Unter diesem wahrhaft europäischen Herrscher wurde der bis dahin heidnische Sachsenstamm in das christliche Abendland einbezogen, allerdings um den Preis eines mehr als dreißig Jahre dauernden Krieges. Nach einem hohen Blutzoll, den beide Seiten zahlen mußten, siegte schließlich der Franke Karl über den sächsischen Stammesverband.

 

Von den Sachsen, die zwischen Rhein und Ostharz, von Nordhessen bis zur Unteren Elbe ansässig waren, ist durch Berichte bekannt, daß sie in drei oder sogar vier Teilgruppen gegliedert waren: Westfalen im Westen, Ostfalen im Osten, dazwischen das Gebiet Engern an der mittleren Weser. Daneben scheint der Elbebezirk im Norden eine gewisse Eigenständigkeit besessen zu haben. - Unter den Frankenkönigen verlor sich dann die Gebietsgliederung der alten Art. Insgesamt sprach man aber weiter vom Land der Sachsen. Bei diesem Begriff blieb es über mehrere Jahrhunderte.

 

Unter dem Sachsenherzog Heinrich der Löwe (* um 1130, + 1195) gewinnt die Bezeichnung "Westfalen" erneut an Bedeutung, und zwar hängt dies mit seinem Sturz, dem Gerichtsverfahren und der Verurteilung durch den mächtigeren Vetter Friedrich Barbarossa zusammen. Nach dem der Löwe verurteilt war, galt es, dessen Herrschaftsgebiet aufzuteilen: aus dem westlichen Teil Sachsens wird nun das Herzogtum Westfalen, das räumlich-begrifflich bis heute überdauert hat. Im östlichen Teil Sachsens waren die Verhältnisse weitaus komplizierter, da die Welfenfamilie nicht auf ihre alten Ansprüche verzichten wollte. Das Resultat war die Bildung der welfischen Territorien einerseits (Herzogtum Braunschweig-Lüneburg, 1235), ein weitgehend machtloser "Sachsen-Herzog" aus der Familie der Askanier andererseits.

 

Gleichsam im Handgepäck der Askanier wanderte die Bezeichnung "Sachsen" elbeaufwärts, wird 1423 in Sachsen-Wittenberg von den Wettinern übernommen und gelangt so bis in das Gebiet von Leipzig und Dresden. Seit dem 16. Jahrhundert spricht man demgegenüber von einem "niedersächsischen Reichskreis" und meint damit in etwa das heutige Niedersachsen, tatsächlich aber auch das alte Stammesland der Sachsen.

 

Die Geschichte des nördlichen Harzvorlandes blieb durch die territoriale Zersplitterung geprägt: Die stiftischen Gebiete Hildesheim, Halberstadt und Quedlinburg, Anteile des Erzstiftes Magdeburg und der Brandenburger in der Altmark, im Hauptteil die Welfen in Wolfenbüttel, benachbart die übrigen Welfenhäuser in Calenberg/Hannover, Celle und in weiteren Residenzen; zu all dem hinzu noch einige selbständige Grafschaften im Harzraum.

 

Die größeren Territorien bestimmten die Begrifflichkeit bis in das 20. Jahrhundert: Das Land Hannover (1814-1866 Königreich), das Land Braunschweig (Eigenstaatlichkeit bis 1946) und vor allem Brandenburg-Preußen.

 

Von geographischer Seite ist die Bezeichnung Ostfalen besonders von Theodor Müller seit den 1930er Jahren wiederbelebt worden. Dahinter stand die klare Erkenntnis, daß für eine umfassende Landeskunde der Bezug auf die mehr oder minder zufälligen politischen Grenzen denkbar ungeeignet ist. Müller bemühte sich, anhand unterschiedlicher Kriterien, etwa der Mundartforschung, der Volkskunde und der naturräumlichen Abgrenzung das ostfälische Kerngebiet zu bestimmen und zu beschreiben ("Ostfälische Landeskunde", 1952). Unser Kartenausschnitt erfaßt dieses Gebiet recht genau.

Gebietskarte

Theodor Müllers Ansatz, unsere Landschaft umfassender zu begreifen, ist aber wiederum von der politischen Entwicklung überholt worden: spätestens seit 1949, mit der Gründung der Staaten BRD und DDR, war klar, daß West und Ost getrennte Wege nehmen. Der "eiserne Vorhang" verlief von Nord nach Süd längs durch Ostfalen. Diese Linie existiert auch heute noch, als Grenze zwischen den Bundesländern Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.

 

Aber erinnern wir uns an 1989/1990, an das Ende der DDR: "Nun wächst zusammen, was zusammen gehört", so war damals in jeder Festrede zu hören. - Die Realität sieht gut 10 Jahre nach der Wende anders aus; grenzübergreifendes Handeln stellt doch oft eine Ausnahme dar und eine neue Grenze scheint in den Befindlichkeiten, das heißt in den Köpfen, eine eigene Gestalt gewonnen zu haben.

siehe auch
Regionalbegriff
("absurde Erscheinungen")

Und auch deshalb, um nicht neue alte Grenzen in den Köpfen festzuschreiben, verwenden wir in dieser Dokumentation den Begriff Ostfalen, der die übergreifenden landschaftlichen und kulturellen Zusammenhänge in Raum zwischen Harz und Heide verdeutlicht.


 

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http://www.region-braunschweig.de/ostfalen2.html, Stand: 16. Dezember 2007