Auch unter naturkundlichen Gesichtspunkten lohnt sich ein Ausflug in die Umgebung von Bredelem: grandiose Kulisse der Harzberge, der Höhenzug von Ostlutter, das Innerste-Tal mit seinen Schotterfeldern, die Niederterrasse als klar ausgeprägter Absatz seitlich über der Fluss-Aue. Auf dieser erhöht liegenden Fläche finden wir das rekonstruierte Großsteingrab, das im Jahre 1959 in einem nahegelegenen Acker entdeckt und ausgegraben wurde. Vom heutigen Erscheinungsbild her lässt sich zunächst kein allzu großer Unterschied zu den bekannteren Gräbern der norddeutschen Megalithik ausmachen (z.B. Lübbensteine, südliches Grab). Aber dennoch wird das Bredelemer Grab bereits einem anderen Kulturkreis zugerechnet.
Der Unterschied steckt im Detail. Die Tatsache, dass hier keine außen umlaufende Steinsetzung ("Hünenbett") die innere Grabkammer umfasst, kann dabei als Unterscheidungsmerkmal nicht gelten, da diese auch im Norden nicht immer vorhanden ist. Wichtiger ist schon, dass durch einen quergestellten Stein eine Art Vorkammer in Längsrichtung abgeteilt wurde (dies ist auch im heutigen Neuaufbau zu erkennen). Der entscheidende Unterschied liegt bei der Bedeckung. Es ließen sich keinerlei Hinweise auf einst vorhandene Decksteine finden, so dass eine Abdeckung mit Holzstämmen oder Balken anzunehmen ist (in dieser Weise ist auch eine modellhafte Rekonstruktion im Braunschweigischen Landesmuseum, Abtlg. Archäologie, ausgeführt). Damit erklärt sich auch der etwas seltsam anmutende Bezeichnung "Steinkiste". Eine ähnliches Grab konnte in Sorsum bei Hildesheim untersucht werden. Die Begrifflichkeit für solche Anlagen ist durchaus verwirrend: Galeriegrab, Mauerkammer, Steinkammer und ggf. weiter differenzierende Bezeichnungen. Der kulturelle Zusammenhang wird aber immer deutlicher. Er verbindet sich entweder mit der Wartbergkultur, deren Zentren weiter südwestlich liegen, oder mit der Walternienburger / Bernburger Kultur, zu der auch die sogenannten Totenhütten gehören. Als Verbreitungsschwerpunkt kann hierbei das nördliche und östliche Harzvorland gelten, wichtige Funde stammen aber auch aus der Nähe von Einbeck. Eine grobe zeitliche Einordnung ist mit den Daten 3500 / 3000 v.Chr. gegeben.
Die Ausgrabung von Bredelem förderte eine große Zahl von Skelett-Teilen zutage, wobei von mindestens 51 bestatteten Personen auszugehen ist. Zum weiteren Fundinventar gehörten Tierknochen, einige Steingeräte, ferner eine geringe Zahl von Keramikscherben, die jedoch kaum weitergehende Aussagen zulassen.
Zu erwähnen ist noch ein besonderes Merkmal an diesem Steingrab. An einem der aufrecht stehenden Trägersteine, und zwar an dessen Außenseite, ist eine Einkerbung zu entdecken, die dem Umriss eines Fußes ähnelt (Maße etwa 17 x 9 cm). In der prähistorischen Wissenschaft sind solche Zeichen bekannt, wobei meistens angenommen wird, dass es sich um eine Stellvertretung für ein göttliches Wesen handelt, welches die Menschen nicht anders darzustellen wagten. Da der "Symbolstein" die anderen in der Höhe überragt, kann man von einer herausgehobenen Bedeutung ausgehen. Wahrscheinlich wurde dieser Stein in kultische Handlungen einbezogen.
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