Wolfsburg ist vor allem als junge Großstadt bekannt, deren städtische Geschichte mit dem Aufbau eines Automobilwerkes beginnt. Demgegenüber soll hier eine etwas ältere Epoche heimischer Kultur beleuchtet werden, genauer gesagt die Steinzeit. Im Ortsteil Nordsteimke finden wir ein Megalithgrab, das uns die im östlichen Niedersachsen sehr seltene Form des Dolmens vorführt.
Das Grab wurde im Herbst 1968 von einem Bauern beim Pflügen auf einem Ackerstück südlich der Ortschaft entdeckt. Bei der Feldbearbeitung war die Pflugschar auf einen harten Widerstand getroffen. Die Untersuchung mit dem Spaten zeigte schnell eine ganze Steingruppe, damit Grund genug, die Behörden zu verständigen. Im folgenden Sommer wurde durch den zuständigen Archäologen, Dr. Niquet, eine Ausgrabung durchgeführt; danach räumte man die großen Steinblöcke ab und verlegte diese bis auf weiteres auf eine Freifläche vor der örtlichen Mehrzweckhalle. So weit, so gut; soll heißen wie üblich.
Das weitere ist allerdings durch einige "Pannen" geprägt. Heute haben wir ein rekonstruiertes Monument vor Augen, dessen konkrete Gestalt letztlich ganz unbegründet bleibt. Und als Schönheitsfehler kommen noch etwas Beton und Stahl hinzu, worauf die städtischen Bauingenieure beharrten. Dass es auch anders geht, mit alter werkgetreuer Technik, war schon damals erwiesen (in unser Region ist dies in Groß Steinum, Megalithgrab nördlich des Ortes am Dorm, vorgeführt worden; am Friedhof des Dorfes neuerdings eine Präsentation zur Bautechnik dieser Gräber).
Weit schlimmer für die wissenschaftliche Würdigung jedoch ist, dass ein Grabungsbericht oder auch Grabungszeichnungen fehlen. Mag sein, dass sich entsprechende Unterlagen noch einmal anfinden. Bis dahin allerdings wird die seriöse Forschung den Befund mit größter Vorsicht behandeln, wenn sie ihn denn überhaupt zur Kenntnis nimmt. Was wir heute wissen, stammt aus den Berichten der lokalen Presse.
Demnach bestand der Fundkomplex aus acht großen Steinen, von denen sieben als Tragsteine und eine große Platte als Deckstein bezeichnet wurden. Die Tragsteine waren umgesunken; der einst überwölbende Erdhügel war offenbar nicht mehr zu erkennen (einem Foto zufolge). Nach den Aussagen Niquets, wie in der Presse zitiert, handelt es sich um ein "Dolmengrab", das an einer der Schmalseiten einen Zugang besessen hat. Datierende Beifunde aus der Nutzungszeit des Großsteingrabes, etwa Tonscherben, traten nicht zutage. (Anzumerken ist hier, dass für eine wissenschaftliche Würdigung insbesondere die genaue Position der Steine und der Nachweis von einstigen Standgruben von Interesse wäre.)
Obwohl der Typ "Dolmen" im östlichen Niedersachsen sehr selten ist, lässt sich dieser doch in die kulturgeschichtliche Entwicklung der Jungsteinzeit einordnen (wobei wir eine zutreffende Fundansprache einfach unterstellen; nach dem Grabfund bei Rethen 1995, Landkreis Gifhorn, und seiner wissenschaftlichen Rekonstruktion wären auch für Nordsteimke einige Fragen neu zu formulieren). An den Anfang der Megalithik stellt man bei uns den sogenannten Urdolmen, eine einfache Steinkammer, die aus vier Tragsteinen und einer Deckplatte gebildet wird. Dieser besaß keinen Zugang, so dass man von einer einmaligen Belegung ausgehen muss. Der "erweiterte Dolmen" besitzt dann einen wiederholt nutzbaren Zugang, die Grabkammer blieb allerdings noch relativ klein. Die meisten der bekannten Grabkammern zeigen jedoch sehr viel größere Ausmaße, wie etwa an den dokumentierten Beispielen von Helmstedt und Haldensleben nachzuvollziehen ist. Für die Lübbensteine vor Helmstedt liegt ein genauerer Datierungsansatz vor, der auf etwa 3500 / 3400 v.Chr. weist. Unter der Annahme, dass die schlichten Grabformen den aufwendigeren Bauten vorangehen, müsste das Grab von Nordsteimke um einige Generationen älter sein.
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