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Aspekte der Typenvielfalt

Bei Durchsicht der Burgenliteratur ist eine erstaunliche Erfahrung zu machen: Einige Autoren verzichten ganz oder weitgehend auf eine Typisierung, andere legen umfangreiche Listen vor. So nimmt Hotz (1979, S.7ff) für den Umriß zwei Grundtypen an - die Zentralanlage und die axiale Ausrichtung der Burg - und unterscheidet im konkreten 17 Einzeltypen, wobei Mischformen zugestanden werden. Diese Darstellung soll hier nicht wiederholt werden, zumal die praktische Nutzanwendung einer solchen Gliederung fraglich bleibt.

 

Nachweis zu den angegebenen Schriften im Literaturverzeichnis

Das Dilemma faßt Goez (1985, S.13) unter einem etwas anderen Blickwinkel auf: "Auch wenn gewisse Grundgegebenheiten, Funktionen und Fortifikationen sich glichen: Burg war nicht einfach gleich Burg. Man darf den bescheidenen ritterschaftlichen 'Ansitz' ... nicht mit der Weitläufigkeit einer Kaiserpfalz, einer Fürstenresidenz oder Landesfestung ... zusammenwerfen, obwohl diese alle zugleich Burg-Charakter besaßen". Für den Burgenkundler Bodo Ebhardt bestand die einzige Regelmäßigkeit der Burgen in ihrer Unregelmäßigkeit (nach Hotz, 1979, S.6; obwohl Ebhardt in der Tat doch Typen benennt, dies aber in recht halbherziger Weise). - In positiver Weise formuliert: Jede Burg muß als ein individuelles Gebilde aufgefaßt werden, die konkreten Voraussetzungen sind örtlich jeweils andere und nicht zuletzt bewirkt eine jahrhundertelange Baugeschichte eine formale Gestalt, die schließlich einzigartig ist.

Wir sollten dennoch fragen, inwieweit eine Typisierung hilfreich sein kann. Tatsächlich enthält ja eine Typenbeschreibung eine Art von Chiffre, ein Kürzel, das langwierige Beschreibungen zunächst einmal auf ein konkretes Schlagwort bezieht, welches schon eine erste allgemeine Vorstellung hervorruft. Zugleich werden ähnliche Erscheinungen unter diesem Kurzbegriff zusammengefaßt, kurzum: es werden Gruppen gebildet, die die Fülle an Einzelerscheinungen gedanklich ordnen. In diesem Sinne, als eine erste allgemeine Verständnishilfe, sollen hier einige praktische Hinweise auf Burgentypen geboten werden, ohne dabei in einen starren Schematismus zu verfallen.

Gruppenbildung, wo sie denn unternommen wird, umfaßt meist mehrere sachlich voneinander zu trennende Beschreibungsinhalte: Die Lage in der Landschaft, die Umrißform und die Stellung der Gebäude (als Formelemente), eventuell die militärische Aufgabe, die soziale Zuordnung. Der letztgenannte Punkt bietet besondere Schwierigkeit, aber auch einige Chancen: so ist etwa die Kennzeichnung als Reichsburg ein erster Hinweis auf die besondere Größe und Ausgestaltung oder die Benennung als Ganerbenburg signalisiert (dem Kenner der Materie) den Aufbau aus mehreren Teilburgen oder einzelnen "Häusern", die jeweils von einer Linie der Erbengemeinschaft verwaltet wurden. Es zeigt sich aber bereits hier, daß im wesentlichen "Formvorstellungen" vermittelt werden, die nicht notwendigerweise auf die sozialgeschichtlichen Begriffe angewiesen sind. Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem historischen Wandel der Funktionen: Aus der Reichsburg konnte ein Raubritternest werden, aus der Adels- oder Grafenburg ein Fürstensitz.

Plausibel erscheint das von Wäscher angewendete Verfahren, mit kurzen knappen und allgemeinverständlichen Begriffen die historische Funktion zu benennen und dabei auch den jeweiligen Wandel zu erfassen. Unsicherer wird dieses Verfahren, wenn konkrete Aufgaben einer Befestigungsanlage benannt werden, etwa als "Schutzburg" oder als "Sperrburg" (einer Straße, eines Passes). Von fast allen Burgen war eine Umlandbeherrschung beabsichtigt und gegeben und dies schloß die Verkehrswege mit ein; in der Regel sind hier also besondere Lage-Informationen gemeint.

Wer eine erste Vorstellung einer Burganlage gewinnen will, ist auf die Beschreibung des Geländes angewiesen: Höhenburg, Niederungsburg, Wasserburg, jeweils in möglicher Verwendung mit präzisierenden Zusätzen. Dem Vorhandensein bzw. der Ausnutzung von Annäherungshindernissen kommt dabei eine besondere Rolle zu: Beschreibung von Steilhängen, Tal- oder Terrassenkanten, der Ausnutzung von Wasser (eingeleitet in Gräben, als künstlicher Teich, in Gestalt eines natürlichen Gewässers) oder Sumpf als ein sehr wirkungsvolles Hindernis. Die Geländelage von Burgen richtet sich natürlich nach den regionalen Gegebenheiten. So sind die Ausgangsbedingungen im niedersächsischen Tiefland grundsätzlich andere als im südlich anschließenden Hügel- und Bergland. Die erste und wichtigste Anforderung an die Geländelage zielte - wie die gesamte Anlage der Burg - auf die Verteidigungsfähigkeit, d.h. mit einer möglicherweise sehr kleinen Mannschaft ein Maximum an Wirkung zu erzielen. - Unter den Haupttypen sind in unserer Region alle wesentlichen Spielarten vertreten, ausgenommen die Burg inmitten eines großen Flusses. Interessant ist die Feststellung, daß nicht immer die Burg auf dem Bergrücken die "ultima ratio" darstellte: Nach der Zerstörung der älteren Burg Warberg im Jahre 1200 wurde der Neuaufbau nicht wieder am oberen Elmhang betrieben, sondern in der Niederung am Fuße des Bergzuges. Auf einen Sonderfall für die "landschaftliche Lage" ist aber noch hinzuweisen: einige Burgen sind als Teil einer Stadt, also einer gesellschaftlich entstandenen Umwelt, aufzufassen. Dieses muß als wesentliche Kurzinformation selbstverständlich vermittelt werden. Stadtburgen finden sich stets in Randlage, den Ausnahmefall bildet die Burg Dankwarderode mit ihrer Mittenlage in Braunschweig.

Kurze Charakterisierung einiger Burgen auf der Seite Regionaler Bestand.
Vollständige Erfassung der in dieser Dokumentation vertretenen Beispiele über Karte oder Ortsregister.

 

Eine weitere Kategorisierung bezieht sich auf die Größe und die Umrißform: Rundburg, rechteckige bzw. quadratische Form (in der kompakten Variante oft als Kastell bezeichnet), polygonal oder in ausgeprägter Längserstreckung. Die Umrißformen von Burgen sind zunächst auf die gegebenen Geländebedingungen zu beziehen. Ein vorhandener schmaler Geländesporn kann demnach keine Rundburg tragen. Umgekehrt läßt die Lage im Flachland eine größere Auswahl an Formen zu, wobei allerdings eine schmale Längserstreckung verteidgungstechnisch als sinnlos erscheint, sofern nicht auf besondere geographische Bedingungen zu reagieren ist. Daneben wirken weitere Faktoren, zu denen der herrschaftliche Anspruch und die materiellen Ressourcen des Burgengründers oder der späteren Besitzer gehören, aber auch die zur Verfügung stehenden (bau-) historischen Vorbilder. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß im Bereich des Hochadels oder der im Reichsdienst stehenden Herren auch außerdeutsche Vergleichsbauten gut bekannt waren.

Bei der Beschreibung der Gestaltmerkmale helfen folgende Fragen:

  • Umriß zentralisiert oder längs gestreckt?
  • Kompakt oder weitläufig?
  • Umrißform rund, oval, keilförmig, quadratisch, rechteckig, polygonal?
  • Kleiner, mittlerer, sehr großer Hofplatz? Mehrere Höfe?
  • Ein, zwei, oder mehrere Türme? Kein Turm?
  • Stellung der einzelnen Türme: im Verband der Außenmauer, abgerückt oder mittig?
  • Turm oder Schildmauer zur Frontverteidigung?
  • Übrige Bebauung nur randlich an den Mauern oder auch freistehend?
  • Sonderform: Turmburg mit einzelnem Wohnturm?
Es bleibt jedoch zu beachten, daß nur die tatsächliche (rekonstruierte) mittelalterliche Gestalt erfaßt wird. Vom heutigen Bild sind also die jüngeren Baukörper abzuziehen und verlorene Gestaltmerkmale, so weit bekannt, gedanklich hinzuzufügen.

Ein besonders instruktives Beispiel stellt die Westerburg dar (zwischen Wolfenbüttel und Halberstadt). Die sehr gut erhaltene, von Wällen und Wassergräben umgebene Anlage ist als Niederungsburg zu kennzeichnen. Hier zeigt sich, wie in zwei Bauetappen gänzlich andersartige Vorstellungen zum Tragen kamen: Zunächst wurde eine Rundburg errichtet, die einen einzelnen, sehr hohen runden Turm (Bergfried) in Randstellung besaß. In einer zweiten Bauphase wurde eine Kastell angefügt, das annähernd quadratischen Umriß aufweist und an dessen drei Außenmauern sich innenseitig hohe Wohn- und Wirtschaftsgebäude anlehnen. Der alte Bergfried stand nun mittig zwischen altem und neuem Teil der Burg, die zu Dreiviertel eine runden Umriß, im verbleibenden Abschnitt aber eine rechtwinklige Anfügung besitzt. Der ältere Burgteil läßt sich nach dem Ausbau als Vorburg betrachten; als weitere Außenanlage ist eine zweite Vorburg zu rekonstruieren, die ihrerseits noch durch einen Erdwall gedeckt war.

Westerburg

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http://www.region-braunschweig.de/burgen/themen/typen.html, Stand: 3. November 2005