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Idealbild und Definition von Burg



In unbewußter Weise tragen wir alle ein Idealbild von einer Burg mit uns herum. Dieses dürfte in den meisten Fällen etwa folgendermaßen aussehen: Auf einem steilen Felsrücken gelegen, von einer starken zinnenbekrönten Mauer umgeben, mit einem oder mehreren Türmen versehen, äußerst wehrhaft, die Wohnbauten um einen inneren Hof zusammengedrängt, darunter Keller und Gewölbe (einschließlich Kerker), möglicherweise einen Geheimgang, mindestens einen repräsentativen Empfangssaal, die Kemenate (Frauengemach), die Waffenkammer, als Zubehör der Tiefbrunnen, in der Vorburg Perdeställe und über allem die flatternde Adelsfahne.


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Einer Vorstellung, wie sie oben entwickelt wurde, ist nicht alle Berechtigung abzusprechen. Dennoch: Das Erscheinungsbild der Burgen ist überaus vielfältig. Es reicht von der Höhenburg auf nadelspitzem Felsen über die Niederungsburg bis zur einer Baulichkeit, die in einem See oder Fluß errichtet wurde. Oder die Größe: Im geringsten Fall eine räumlich eng konzentrierte Wehranlage - dies kann selbst ein einzelner Turmbau sein -, über vielfältigste Zwischenformen bis zu einer weitest ausgedehnten Anlage, die sich mit einem System von Vorburgen über 1100m Länge erstrecken konnte (Hotz, Kunstgeschichte der Burg, S.40; Literaturverzeichnis). - Bei dem Bemühen um eine Definiton, die zumindest für Mitteleuropa gelten kann, ist die Frage zu stellen, was "noch nicht" als Burg gelten kann oder was "nicht mehr" als Burg gelten soll. Stellt ein äußerst massiv gebautes Haus bereits eine Burg dar? Ist eine mauerumwehrte Kleinstadt als ein Sondertyp von Burg anzusprechen?

Im Versuch einer Einengung des weitgespannten Begriffes "Burg" wären die beiden gleichzeitig vorhandenen Funktionen als Wehrbau und als Wohnbau zu betonen. Im baulichen Sinne ist eine Burg ein bewohnter Wehrbau oder ein bewehrter Wohnbau, der einem nachhaltigen militärischen Angriff trotzen konnte. Allerdings ist hinzuzufügen, daß es sich nicht um "Wohnen" im heutigen Sinne handelt, sondern umfassend auch als ein gutsherrschaftliches Wirtschaften zu verstehen ist. Damit wird zugleich auf die vielfältigen Wirtschaftseinrichtungen einer Burg hingewiesen. In sozialgeschichtlicher Hinsicht ist dieser Typus von Architektur mit einer Epoche der alteuropäischen Adelsherrschaft verbunden. In der Regel befand sich die Burganlage in der Verfügungsgewalt eines hochrangigen Herren, einer adligen Familie oder eines Familienverbandes. Die Blüte des so verstandenen Burgenbaues liegt in der Zeit zwischen 1000 und 1520 nach Christi. Als prägnante Kurzbezeichnung empfiehlt sich deswegen der Begriff "mittelalterliche Burg".

Definition:
"Mittelalterliche Burg"

Aus historischen Gründen erweist es sich jedoch als notwendig, den Betrachtungszeitraum etwas auszudehnen. Bezieht man jeweils rund 200 Jahre vorher und nachher mit ein, so lassen sich einerseits die älteren Entwicklungsstufen nachvollziehen, andererseits wird der Ausklang und die Nachfolge der mittelalterlichen Burg greifbar.

Die besondere Charakteristik der mittelalterlichen Burg wird deutlich, wenn man einen Seitenblick auf die Ringwälle prähistorischer Zeit wirft, wie sie beispielweise im Reitlingstal des Elm zu finden sind. Diese werden zumeist als "Volksburgen" bezeichnet. Das wallumwehrte Areal umfaßt oft mehrere Hektar Fläche, woraus die Zweckbestimmung zu erschließen ist. Wir haben hier nicht primär Adelssitze als befestigte Wohnanlagen vor uns, sondern Fluchtburgen für ganze Bevölkerungsgruppen, die nur in Not- und Krisenzeiten genutzt worden sind. Daneben gibt es aber auch kleinere Ringwälle, zu denen jegliche schriftliche Überlieferung fehlt und die archäologisch bisher noch nicht erforscht worden sind, etwa im Oderwald. Dabei könnte es sich um Fluchtburgen, Grenzbefestigungen, befestigte Hofstellen oder auch um etwas ganz anderes handeln. Solche Anlagen sollten, solange keine eindeutige Zuordnung möglich ist, sprachlich besonders gekennzeichnet werden ("Ringwälle", "Wallringanlagen" o.ä.), um sie von den sicher in das Mittelalter gehörenden Burgen zu unterscheiden.


Vorgeschichtliche Ringwälle
("Volksburgen")

Entscheidungsfälle: Pfalz und Einzelturm

Zunächst ist an die Unterschiede zwischen sehr ausgedehnten Burganlagen und den kleinen Burgen zu erinnern. Hinter diesem baulichen Befund stehen gesellschaftliche Machtpositionen. Denkt man die Linien "klein" und "groß" konsequent weiter, so gelangt man zu zwei Sondererscheinungen, wobei die eine an die Spitze, die andere an die untere Basis der herrschaftlichen Raum- und Gesellschaftsdurchdringung gehört. Es sind einerseits die königlichen Pfalzen, andererseits die "Minderformen" einer Burg in Gestalt eines einzelnen, nicht allzu starken Steinturmes.

Zu den ältesten nachkarolingischen Pfalzen gehört die Werla, deren Gelände in mehreren Kampagnen aufgegraben wurde (knapp 15 km südlich von Wolfenbüttel). Ihre Nachfolge trat bald nach der Jahrtausendwende die Pfalz Goslar an, die besonders unter Kg. Heinrich III. (1039-56) auf das Prächtigste ausgestattet wurde. Auch heute noch bietet sich der Goslarer Pfalzbezirk "offen", ohne eine Burgbefestigung, dar. Mit einigem Recht ist gefragt worden, ob man diesen Typ von königlichen Pfalzen überhaupt zu den Burgen rechnen darf. Zumindest ist darauf zu verweisen, daß die königliche Architektur die Gestaltmerkmale von (einigen) Burgen wesentlich beeinflußt hat. Dabei braucht als Beispiel nur die Burg Dankwarderode in Braunschweig genannt zu werden, neu errichtet unter Hz. Heinrich dem Löwen (+1195), in der sich das imperiale Vorbild spiegelt, die aber sehr wohl die Befestigung einer Burg besaß.

Werla
Goslar
Braunschweig

Am unteren Ende der baulichen Entwicklung stehen einzelne steinerne Türme, bei denen die Frage, ob es sich hierbei bereits um eine Burg handelt, sicher mit "Nein" zu beantworten ist (dazu auch Seite "Bauliche Elemente", speziell zu Wohnturm). Gleichwohl konnten solche Steintürme am Beginn eines Burgenbaus stehen, was für den noch vorhandenen Wohnturm auf Burg Ummendorf zu vermuten ist. In einigen Dörfern unserer Region haben sich Steintürme erhalten, die sicherlich nicht als Wachtürme in städtischer Initiative entstanden sind (Landwehr-, Wach- und Warttürme sind z.B. vor den Städten Helmstedt und Halberstadt erhalten geblieben; sie sollen hier aber ausgeklammert bleiben). Die Beurteilung der kemenatenartigen Gebäude, beispielsweise in Bornum am Elm, Mönchevahlberg und Wittmar ist aufgrund der dürftigen historischen Quellen schwierig. Ein genaueres Bild von den Entstehungsumständen und der Nutzung läßt sich (bislang) nicht zeichnen. Bauliche Details weisen im Einzelfall auf eine gewisse repräsentative Funktion, andere Gestaltelemente deuten ganz klar auf die Verwendung als zeitweiliger Zufluchtsort, was für einige wehrhafte Kirchtürme im Lande mit ganz großer Sicherheit anzunehmen ist.

Ummendorf

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http://www.region-braunschweig.de/burgen/themen/idealbild.html, Stand: 3. November 2005