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Die Burg als ein gestaffeltes VerteidigungssystemWer allein die Kernburg betrachtet, verliert leicht aus dem Blick, daß sich in der Regel der inneren Baugruppe noch Vorburg und Wirtschaftshof anfügten. Im weiteren Außenbereich waren Vorfeld- und Wegesperren zu finden, die oft auch heute noch als Gräben oder Wälle im Gelände zu erkennen sind und deren Monumentalität gelegentlich überrascht.
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Der äußerste Ring um eine Burg bestand also aus wehrtechnischen Einrichtungen, die nächste nach innen folgende Zone war durch Haus- und Hofwirtschaft geprägt. Abweichungen ergaben sich dabei in der sozialen Skala nach oben und unten: Wenn bei hochherrschaftlichen Anlagen manchmal mehrere Vorburgen und ausgedehnte Wirtschaftshöfe zu finden waren, konnten sich diese bei kleinen Adelssitzen bis auf wenige Gebäude reduzieren. Das Vorhandensein dieser äußeren Gebäudegruppe ergab sich im wesentlichen aus wirtschaftlichen Erfordernissen (die Burg als Wohnort einer "Hoffamilie" und als ein landwirtschaftlicher Großbetrieb, als Ort eines Fuhrparkes mit Zug- und Reitpferden, als Sitz von Hausgewerbe und gelegentlich auch von spezialisierten Handwerkern). Bei der räumlichen Organisation dieser Wirtschaftsbauten spielte aber die Verteidigungsfähigkeit wiederum eine wichtige Rolle, so daß sich eine gestaffelte Abfolge ergab, die im Notfall nach und nach geräumt werden konnte, wobei der Gegner dann auf die nächste Verteidigungslinie traf. Als letzte Zuflucht, nach Aufgabe der Kernburg, blieb noch der Bergfried, also der stärkste Burgturm, der für diesen Fall vorbereitet war. Das räumliche Nebeneinander von Außenwerken, Vorburg, Kernburg und Turm mit seiner charakteristischen Höhenstaffelung stellt sich also auch als ein militärisches Nacheinander dar - im Verteidigungsfall.
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Die Kernburg: bauliche BestandteileFür die Beschreibung von Burganlagen hat sich eine Trennung der Baulichkeiten mit Wehrfunktionen einerseits, solcher mit Wohn- und Wirtschaftsfunktionen andererseits als sinnvoll erwiesen. So soll auch im folgenden für den Bereich der Kernburg verfahren werden. Anzumerken ist jedoch, daß sich eine systematische Scheidung nicht immer eindeutig durchführen läßt, was am deutlichsten beim Wohnturm (Donjon und verwandte Formen) hervortritt. Solche Einzelbauten sollen abschließend gesondert behandelt werden.
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1 Die Wehrformen
1.1 Die Ringmauer
Von der Funktionsbestimmung ist diese ausschließlich ein Zweckbau, die Erscheinungsform bleibt durchweg schlicht. Als Baumaterialien wurden Quader oder große Bruchsteine verwendet. Nicht selten ist eine sehr beträchtliche Mauerstärke festzustellen.
Öffnungen im Mauerverband bleiben klein und liegen sehr hoch, sie dienten der Beobachtung oder dem Beschuß ("Schießscharten"). Die Mauerkrone besaß meistens Zinnen. Innenliegend finden wir knapp unterhalb der Brüstung einen umlaufenden Wehrgang.
Eine Sonderform wird als "Schildmauer" bezeichnet. Solche Mauerabschnitte stellen sich in besonderer Höhe und Massivität dem potentiellen Angreifer in den Weg, sie erweisen sich gleichsam als Schutzschild der Burg (regionales Beispiel: Burg Falkenstein). Eine zweite Mauerlinie, die weniger hoch ausgeführt war, konnte der inneren Mauer in mehr oder minder großem Abstand vorgelagert sein; sie umfaßte die Vorburg. Weitere Mauern schufen zusätzliche Verteidigungsbereiche, die als Zwinger bezeichnet werden; diese mauerbegrenzten Abschnitte wurden nachts oder bei Bedrohung durch scharfe Hunde bewacht, wodurch sich die ungewöhnliche Benennung erklärt.
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Falkenstein
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1.2 Die Türme
Die Mauertürme dienten der Verstärkung und Sicherung der Mauerlinie und finden sich insbesondere an Eckbildungen und bei Verschwenkungen der Außenlinie. Sie waren in den Mauerzug eingebunden. Diese Türme waren oft zur Innenseite hin offen (Schalentürme).
Ecktürme besitzen häufig eine erstaunliche Mauerstärke. Für den beherrschenden starken Turm, der zugleich den letzten Zufluchtsort innerhalb der Burg darstellte, hat sich seit dem 19. Jh. die Bezeichnung "Bergfried" eingebürgert. Die Geländelage der Burg konnte mehrere solcher Türme erfordern. Unabhängig von der Stellung innerhalb der Gesamtanlage (in die Mauerlinie eingebunden, abgerückt, mittig), unabhängig auch vom Grundriß (rund, quadratisch, achteckig u.a.m.) und ungeachtet der erreichten Höhe besaßen alle Bergfriede eine außergewöhnliche Festigkeit. Als Merkmal wird ferner der hochgelegene Zugang genannt sowie das Vorhandensein einer Wächterstube (Umland- und Vorfeldbeobachtung). Treppe oder Leiter, die dem Einstieg dienten, konnten im Notfall eingezogen oder abgeworfen werden. Die innere Teilung zeigt im Erdgeschoß meist ein hohes Gelaß, das häufig als Gefängnis angesprochen wird. Dagegen erheben sich aber einige Bedenken, vor allem, weil Fäkalien von dort nur unter großen Mühen zu beseitigen waren; die Behauptung bleibt also im Einzelfall zu prüfen. Die ältesten Erker entstanden als Abort. Seit dem ausgehenden 15. Jh. wurden im Umfang gewaltige, jedoch nicht allzu hohe "Batterietürme" geschaffen, die das eigene Geschütz aufnahmen. Sie bildeten in der Regel einen Teil des nun im Vorgelände neu geschaffenen Walles, der Schutz vor feindlichen Kanonen bieten sollte.
1.3 Das Tor
Zum Gruß von Freund und Feind war am Tor das Wappen angebracht. Lage und Ausführung des Tores hatten in besonderer Weise das Gelände zu berücksichtigen. In seiner schlichtesten Form handelt es sich um eine rund- oder spitzbogige Öffnung in der Mauer, die das Passieren von Fußgängern und Wagen zuließ. Die Zufahrt durfte deswegen nicht allzu steil ausfallen. Häufig findet man eine gesonderte Einfassung von breitem Fahrtor und schmaler Fußgängerpforte. In einer bemerkenswerten Vielfalt entstanden die unterschiedlichsten Lösungen für Torbauten, die einen selbständigen Baukörper bilden. Nicht selten strebte man die Integration in einem Turm an (Torturm), bekannt sind auch Lösungen mit flankierenden Türmen. Der Torweg wurde in vielen Fällen gewölbt. Sofern ein - trockener oder nasser - Graben vorhanden war, befand sich vorgelagert die Zugbrücke. Entwicklungsgeschichtlich recht alt ist eine zusätzliche mauerumfaßte Sicherung des Zuweges, die sich außen an das Tor anschloß ("Barbakane", "Bastei").
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2 Die Wohnformen
2.1 Der Palas
In ganz anderer Weise als bei den Wehrformen treffen wir bei der Wohnbebauung auf eine baukünstlerische Ausgestaltung. Das repräsentativste Bauwerk einer Burg bildete der Palas. Cord Meckseper (in: Königfeld und Roseneck, 1995, S.28; Literatur) weist dem Wort, das aus dem Französischen zu uns gelangte, bereits für das 12. Jh. folgende Bedeutung zu: "Größeres Gebäude mit einem Hauptsaal, das zum Empfang für Versammlungen und zum Speisen diente". Der Palas wird deshalb oft als "Saalbau" bezeichnet. Dieser war der Ort für ernste Versammlungen ebenso wie für fröhliche Feste; eine Wohnfunktion im engeren Sinne war aber in einem solchen Saalbau nicht vorgesehen. Die Grundform entsteht aus dem rechteckigen Haus, das sich meist in 2 Geschosse gliedert. Die Längenerstreckung konnte 30 m und mehr betragen (Königspfalzen, Bischofssitze, Fürstensitze). Der Aufwand in der Fassadengestaltung ist oft beträchtlich. Mehfach sind Warmluftheizungen nachgewiesen, wie zum Beispiel beim Palas der Burg Dankwarderode in Braunschweig.
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Braunschweig |
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Was heute bei einer Reihe von Burgen in unserer Region als "Palas" bezeichnet wird, ist allerdings mit der oben gegebenen Definiton nicht in Einklang zu bringen (Westerburg, Zilly, Lutter a.Bbg., Marienburg). Recht sicher läßt sich sagen, daß diese auf mäßig rechteckigem Grundriß errichteten, dafür aber sehr hohen Steinbauten einen markanten Blickfang bildeten und damit auch in der Außenwahrnehmung als das eigentliche Hauptgebäude auszumachen waren. Bei drei oder mehr Vollgeschossen bleibt aber keine andere Deutung, als daß hier auch das alltägliche "Wohnen" seine vorgesehenen Räume hatte, obwohl sicherlich auch ein "Saal" vorhanden war. Wenigstens für die Marienburg südlich von Hildesheim läßt sich durch Raumhöhe und aufwendige Fenstergestaltung wahrscheinlich machen, daß der repräsentative Saal im 3. Geschoß lag (darüber noch ein weiteres Geschoß). U. Albrecht spricht hier von einer Sonderform des Burgpalas (dazu auch weiter unten: "Wohnturm", "festes Haus"). Auch W. Hotz konzidiert, daß namentlich bei kleineren Burgen der Palas auch bewohnt gewesen sei: "Der Wohnpalas entsprach aber nicht dem ursprünglichen Sinn dieser Bauform" (1979, S.51). - Angesichts der zeugnishaften Überlieferung scheint es jedoch angebracht, den Wohnpalas als eine zeitgemäße Lösung für die kleineren Burgen anzusehen und ihm eine eigenständige Bedeutung zuzuweisen.
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Westerburg Zilly Lutter
Marienburg |
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2.2 Die Wohnbauten
Im Anschluß an den Palas lassen sich gelegentlich eine oder mehrere Kemenaten nachweisen. Die Bezeichnung wird für Räumlichkeiten wie auch für Häuser verwendet und verweist auf den vorhandenen Kamin (mlat. caminata = heizbares Wohngemach). Die Trennung zwischen Palas und Kemenate ist zumeist deutlich ausgeprägt. Davon wiederum zu trennen ist der Wohnbau des Burgherrn (zum Wohnpalas siehe 2.1). Als Grundform ist nach Hotz das (steinerne) zweigeschossige Giebelhaus anzusehen, das auch ausgedehnte Dachböden besaß. Ein Keller war fast immer vorhanden.
Komplizierter wird die Situation, wenn sich mehrere Familien den Burgsitz über längere Zeit teilten, was relativ häufig festzustellen ist. Eine entsprechende Ausstattung mit einem eigenen Wohnbau (oder einem abgetrennten Teilbereich) ist dabei vorauszusetzen.
2.3 Die Wirtschaftsbauten
Diese lagen in ihrer Mehrzahl im Vorgelände und in der Vorburg und nur soweit möglich und sinnvoll im Bereich der Kernburg. Die äußere Gestaltung war einfach. Von den vielfältigen Funktionen dieser Nebengebäude sei hier nur das Wohnen (Gesinde), die Aufstallung sowie das Lagern und Speichern genannt. Für bestimmte Nutzungen empfahlen sich - im Gegensatz zu dem einfacheren Fachwerk - von vornherein Steinbauten, z.B. für die Burgküche, für die Lagerhaltung kühl zu bewahrender Güter (Bier- und Weinkeller) und für eine Schmiede. Ferner ist der Burgbrunnen zu erwähnen, eine lebensnotwendige Einrichtung, die eine mehr oder minder aufwendige Gestaltung als Abdeckung oder ein eigenes Brunnenhaus besaß. W. Goez weist auf die Zisterne hin, die seltener im baulichen Befund zu fassen ist, aber doch gelegentlich in den Schriftquellen Erwähnung findet. Ihre Notwendigkeit leuchtet ein, wenn man an den Fall eines Brandes denkt, bei dem sicher nicht Eimer um Eimer aus dem Tiefbrunnen heraufgeholt werden konnte. Die meisten Burgen verfügten nur über einen sehr eingeschränkten Raum, so daß der innere Hof durch zusätzliche Bauten mit der Zeit gänzlich umstellt war und nur noch eine geringe Fläche anbot. Diesen oft beengten Verhältnissen standen die großen Burganlagen mit einer Folge von zum Teil sehr weitläufigen Innenhöfen gegenüber.
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3 Kapelle
Neben den Wehr- und Wohnformen, die der profanen Welt zugehören, ist die sakrale Sphäre zu erwähnen: Wir können davon ausgehen, daß in jeder Burg zumindest eine Altarnische vorhanden war, wenn nicht gar ein eigener Kapellenraum oder ein Kapellbau.
Aufwendige Kapellen gehören bereits zum Bestand der karolingischen Pfalzen und wirken als Vorbilder bis in die Zeit der Salier und Staufer fort. Bereits im 11. Jh. finden wir die Anordnung über der Tordurchfahrt (Burg Donaustauf), was später zu einem sehr gebräuchlichen Muster wird. Diese Anordnung besitzt mehrere Vorteile: der Schutz durch die Heiligen wird damit - im transzendenten Sinne - auf einen besonders gefährdeten Punkt der Burganlage bezogen, andererseits mußten diejenigen als besonders gottlos gelten, die gerade hier ihren Angriff ansetzten. Für die Stellung der Kapelle oder einer Kirche innerhalb der Burg galten jedoch keine festen Regeln, wie sich auch bei Aufwand und Ausstattung erhebliche Unterschiede ergeben.
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4 Sonderform: Wohnturm
Der einzelne Turm, der die wesentlichen Merkmale der oben genannten Funktionen in sich vereinigt, muß als eine Sonderform aufgefaßt werden, gleichsam als die am stärksten konzentrierte Bauform einer Burg. - Solche Türme haben zu unterschiedlichen Zeiten und in verschiedenen Landschaften immer wieder eine Bedeutung erlangt; verbindende Entwicklungslinien sind aber kaum zu erkennen.
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Der mit starken Mauern versehene Turm, der zugleich als Wohnung diente, mag am Anfang der Entwicklung etlicher Burgen und damit zu einer eigenen Herrschaftsbildung gestanden haben (vgl. Ummendorf). Der einfache Typus beherrschte auch die frühen Turmhügelburgen, die man heute als Motte bezeichnet; offenbar bestanden die Türme zunächst aus Holz. Alt-Warberg im Elm ist nach den Ausgrabungen als Turmburg zu beschreiben und besaß ein sehr wehrhaftes steinernes Hauptgebäude auf quadratischem Grundriß (vor 1200 n. Chr.). Für die neu errichtete Burg Warberg im Tal wurde - wahrscheinlich als erste Maßnahme - ein künstlicher Hügel aufgeworfen, der mit einem massiven Turm besetzt war. Eine Wohnnutzung läßt sich dort allerdings nicht mehr so klar erkennen.
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Ummendorf
Alt-Warberg Warberg |
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Bereits im 11. Jh. erlebte der steinerne Wohnturm im Westen Europas seine erste Blüte (Frankreich: Donjon, England: Keep). Dort haben wir es mit Baukörpern von enormen Ausmaßen zu tun, sowohl was die Grundfläche als auch was die Höhe anbetrifft. In ihrem Inneren bargen sie eine vielteilige Gliederung, die sich in mehreren Geschossen entfaltete. Die Funktionen von Halle, Wohnräumen, Kapelle und die verteidigungstechnischen Vorkehrungen sind zum Teil noch heute ablesbar. In Deutschland wirken diese ausländischen Vorbilder in den staufischen Burgenbau hinein (Burg Trifels, wo aber auch ein gesonderter Palas vorhanden war). In den nachfolgenden Jahrhunderten lassen sich immer wieder vereinzelte Nachfolgebauten ausmachen.
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U. Albrecht erkennt den Grundgedanken in den "festen Häusern" wieder, die in unserer Landschaft im 14. Jh. entstehen und führt als Beispiel u.a. die Marienburg bei Hildesheim an (siehe auch oben unter "Palas"). Man muß aber hinzufügen, daß dort neben dem großen wehrhaften Baukörper weitere gesonderte Funktionen eine bauliche Ausprägung finden, so daß sich eine mehrteilige Baugruppe zum äußeren Bild einer Burg formiert. Insofern läßt sich eine direkte Verbindungslinie zur Turmburg nicht feststellen. - Zunächst haben wir es mit terminologischen Problemen zu tun, denn der Begriff "festes Haus" nähert sich zwar den zeitgenössischen Quellen, bietet uns Heutigen aber wenig Verständnishilfe. Mir scheint es angemessener, bei diesen Baukörpern von einem Wohnpalas zu sprechen. Hat man diesen besonderen Typus dann in den Blick genommen, finden sich schnell weitere Beispiele, die mindestens bis in das mittlere 13. Jh. zurückreichen. Wünschenswert wäre aber in jedem Fall, daß eine regional orientierte Forschung die vorfindlichen Gebäude genauer analysiert und vergleichend betrachtet, um zu einem besseren Verständnis der baulichen Typen zu gelangen.
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Marienburg |