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Aspekte der Entwicklungsgeschichte



Auf dieser Seite soll vor allem nach dem "Vorher" und dem "Nachher" zur mittelalterlichen Burg gefragt werden. Damit werden zunächst die großen Entwicklungslinien gezeigt, die von den Wohnhöfen des frühmittelalterlichen Adels zum ausgebildeten Typus der ritterlichen Burg und weiter zum Festungs- und Schloßbau führen. Eine solche Darlegung darf allerdings nicht den sozialgeschichtlichen Hintergrund außer acht lassen: annähernd gleichzeitig mit dem Burgenbau entfaltet sich eine neue Gesellschaftsordnung. Diese Aspekte müssen zumindest berührt werden.
Zur baulichen Entwicklungsgeschichte der mittelalterlichen Burg in unserer Region sind einige Beobachtungen im dritten Abschnitt angefügt.


Auf dieser Seite:

Vom Bauernhof zur BurgNach unten

Statt Burgen: Festungen und SchlösserNach unten

Notizen zur baulichen EntwicklungNach unten

Vom Bauernhof zur Burg

Für die Beurteilung des Phänomens "mittelalterliche Burg" ist besonders eine Feststellung von überragender Bedeutung: der frühmittelalterliche Adel bewohnte nur leicht gesicherte Hofanlagen, keine Burgen. Die Burg als befestigter adliger Familiensitz ist mithin keine "uralte" Erscheinung. Man muß sich jedoch sorgfältig vergewissern, worüber zu sprechen ist: von der größeren Zahl des Adels oder von einer noch weiter herausgehobenen Führungsschicht. Denn immerhin deutet sich an, daß es einige wenige befestigte Fürstensitze gegeben hat, ohne daß wir deren Geschichte oder auch nur deren Charakter genauer erfassen könnten. Die weitaus meisten der archäologisch untersuchten Burganlagen mit einer Zeitstellung etwa um die Wende des ersten Jahrtausends lassen nur dürftige Besiedlungsspuren erkennen, die auf eine begrenzte Nutzung im Krisenfall deuten. Ob weitere Forschungen für einige Lokalitäten eine neue Bewertung zulassen (etwa die Ausgrabungen am Heeseberg, südwestlich von Schöningen), bleibt abzuwarten. Im Grundsätzlichen wird sich kaum eine andere Beurteilung einstellen: der überwiegende Teil des frühmittelalterlichen Adels war nicht auf Burgen ansässig.

Allerdings ist auf eine ältere Tradition von Befestigungswerken in unserem Raum hinzuweisen. Zu nennen sind die Volksburgen, die möglicherweise auch in den Sachsenkriegen Karls des Großen (772-804) noch eine Rolle gespielt haben. Daneben sind dann die jüngeren Vorläufer für den hochmittelalterlichen Burgenbau anzuführen: Die Königshöfe der Karolinger, deren Spektrum von der Etappenstation bis zur Zwingburg reichen dürfte. Dann die Bischofssitze, deren bauliche Ausgestaltung im 9. Jahrhundert beginnt, und diesen vergleichbar einige große Klöster und Stifte (z.B. war Gandersheim um das Jahr 1000 befestigt). Und schließlich die königlichen Zentren des 10. Jahrhunderts, in unserem Raum besonders die Pfalzen Quedlinburg und Werla. Eine besondere Beachtung verdient ferner die Burgenbauordnung König Heinrichs I. (919-936), der bestimmte, daß sich jeweils von neun "Wehrbauern" einer ausschließlich dem Dienst in den neu zu errichtenden Burgen widmen sollte, während die übrigen ihn durch Versorgung und später auch im Kampf zu unterstützen hatten (das Problem, daß diese Heinrichsburgen bislang noch nicht sicher lokalisiert worden sind, soll hier außer Acht bleiben). Die Anordnungen Heinrichs I. zielten auf eine Abwehr der von außen drohenden Gefahren, auf den Kampf gegen die ungarischen Reiterhorden, deren Raubzüge auch in unserer Landschaft eine Spur der Verwüstung hinterließen. In den Abwehrkämpfen gegen Araber, Normannen und Ungarn bildet sich in Europa ein neuer Typ von Kriegsmann heraus, der Panzerreiter zu Pferde, der aufgrund der beständigen Übung und des hohen materiellen Aufwandes nur ein Berufskrieger sein konnte.

Die sogenannten Volksburgen werden in dieser Dokumentation nicht behandelt. Näheres unter Mittelalterliche Burgen: Idealbild und Definition.


Pfalz Werla

Spätestens seit der Kriegs- und Krisenzeit unter Kg. Heinrich IV. (1056-1106), die wir heute als Bürgerkrieg bezeichnen würden, vollzieht sich mit Nachdruck eine tiefgreifende gesellschaftliche Umorientierung. Nach noch nicht einmal 200 Jahren war die Gesellschaft "feudalisiert". Wenn wir zuvor eine beträchtliche Zahl von wehrfähigen Bauern erkennen, so haben wir nun eine vergleichsweise geringe Zahl von geschulten Spezialisten vor uns, deren Handwerk allein das Kriegführen darstellte. Das Handeln dieser waffengeübten Ritter richtete sich keineswegs nur nach außen, sondern in noch weit stärkerem Maße in die eigene Gesellschaft hinein. Die neue, kaum durch Friedensgebote zu bändigende Kriegerkaste begriff sich als bevorrechtigt gegenüber den Bauern, die als solche nun auch begrifflich als eigener Stand erscheinen. Die gesellschaftliche Absonderung prägt sich auch baulich durch den Burgsitz aus. Der Versorgungsrückhalt dieser Feudalklasse besteht aus den abhängigen Bauernfamilien, die sich vielfach im Verlauf der Bürgerkriegswirren in ihren Schutz begeben haben oder in diesen Stand hineingezwungen worden sind. Mittelpunkt einer Herrschaft bildete die Burg, zugeordnet waren dutzende Hofstellen oder gar ganze Dörfer nebst ihrem Zubehör; an den Adel waren unterschiedliche Formen der Gerichtsherrschaft gebunden.

Seit der Jahrtausendwende entstanden zunächst die Herrschaftszentren des höchsten Adels ("Altadel"), im 12. Jahrhundert beginnt eine jüngere Adelsschicht an vielen Stellen Burgen zu errichten und im nachfolgenden 13. Jahrhundert zieht der niedere Adel allerorten mit dem Burgenbau nach (oder usurpiert entsprechende Besitzrechte). Damit ist die Verteilung der Burgplätze und ihres Herrschaftsbereiches vollendet, zugleich schließt sich der Adel als Stand endgültig von der übrigen Bevölkerung ab. Wenn später noch Burgen neu entstehen, so bleibt deren Gesamtzahl gering.


Statt Burgen: Festungen und Schlösser

Weniger die Änderung der gesellschaftlichen Strukturen, sondern die Modernisierung der Waffentechnik bereitete das Ende des Bautypus Burg vor. Walter Hotz zeigt an einer Kette von Beispielen (1979, S.233; Literatur), wie als wehrhaft geltende Burgen seit 1399 durch zunehmend leistungsfähigere Kanonen "zusammengeschossen" wurden. Mit der Vermehrung solcher Vorkommnisse begriff man, was dieses bedeutet: Die mittelalterliche Burg hatte sich in ihrer bisherigen Gestalt überlebt, sie konnte keinen wirkungsvollen Schutz mehr bieten. Solche Erfahrungen entstanden auch im Raum nördlich des Harzes.

Als Reflex auf diese Entwicklung beginnen sich nun Wehr- und Wohnfunktionen zu trennen. Während einerseits vorgelagerte Wälle und Bastionen, auf denen eigenes Geschütz postiert wurde, die Wehrhaftigkeit unter veränderten Bedingungen aufrecht erhalten sollten (wo es die örtliche Situation zuließ und die Inhaber der Burg sich dieses leisten konnten), vollzog sich andererseits an Neubauten im Inneren der Burg eine Hinwendung zur repräsentativen Architektur, die den späteren Schloßbau bereits andeutet. Auch regional ist diese Tendenz an den Renaissance-geprägten Umbauten älterer Burgen abzulesen (z.B. Wolfsburg).

Wolfsburg

 

Nach dem 30jährigen Krieg (1618-48) war das Thema Burg endgültig erledigt. Während der Adel Herrensitze und Schlösser bewohnte, die keine Umwehrung mehr besaßen, zog sich das Militär in sogenannte Festungen zurück, die auch schwerstem Bombardement trotzen sollten. Die Bedingungen der Kriegführung erforderten aber in der Hauptsache ein mobiles Landheer. An der sozialen Gliederung der Gesellschaft, die zugleich mit dem mittelalterlichen Burgenbau entstanden war, wurde jedoch bis zu französischen Revolution (1789) nicht gerüttelt.


Zur Festung umgestaltet wurde Burg Regenstein

Notizen zur baulichen Entwicklung

Eine zusammenfassende entwicklungsgeschichtliche Darstellung zum mittelalterlichen Burgenbau im nördlichen Harzvorland liegt meines Wissens nicht vor. Gute Ansätze bietet das umfassende Werk von Wäscher (Literatur), dessen räumliche Geltung sich aber nur auf die behandelten Bezirke der DDR erstreckt (heute Bundesland Sachsen-Anhalt). Für die niedersächsischen Gebietsteile wäre als ein Überblickswerk Schultz, Burgen und Schlösser des Braunschweiger Landes zu nennen, im wissenschaftlichen Sinne aber eher der Inventarband von Stolberg, der den Harzraum bis zum großen Bruch behandelt. Die Ausgangssituation für eine enwicklungsgeschichtliche Betrachtung stellt sich damit als nicht ganz ungünstig dar; es bedarf aber intensiver Forschungen, die über die monographische Betrachtung einzelner Burgen hinaus vor allem Wert auf die vergleichende Untersuchung legen sollten.

Bei dieser Sachlage erscheint es sehr gewagt, lediglich einige punktuelle Überlegungen beizusteuern, die auf der Durchsicht der vorliegenden Überblicksliteratur sowie der persönlichen Anschauung beruhen. Der Versuch sei dennoch unternommen - vor allem im Sinne der Leser, die sich zumindest einige Hinweise auf regional faßbare Bautraditionen erhoffen.

Zunächst einmal müssen die Königspfalzen als ein Sonderfall des Burgenbaus erwähnt werden, der sich am Beispiel der Werla und der ihr nachfolgenden Goslarer Pfalz anschaulich zeigen läßt. Wegen ihrer Größe, ihrer repräsentativen Aufgaben und der geringen Befestigung (Goslar) konnten sie kaum als Vorbild für die zahllosen Burganlagen im Lande dienen. Eine direkte Ausstrahlung darf man allerdings für den Neubau der Burg Dankwarderode in Braunschweig, den Sitz Herzog Heinrichs des Löwen annehmen. Die Wahrnehmung von dauerhafter Gebietsherrschaft war von einer Pfalz des Goslarer Typs nicht zu realisieren. Das Verlangen nach einer uneinnehmbaren Bastion führte dann auch nach 1060 zur Errichtung der Harzburg durch König Heinrich IV., fast noch in Sichtweite zu Goslar. Baulich führen uns die Ausgrabungen auf der Harzburg das damals modernste Muster einer Höhenburg vor. Einige Jahrzehnte später taucht das vielleicht von dort bezogene Motiv der hohen Schildmauer bei der Burg Falkenstein im Ostharz auf.

Werla
Goslar
Braunschweig
Harzburg
Falkenstein

Eines der interessantesten Beispiele für den heimischen Burgenbau bietet Alt-Warberg im Elm, denn durch das Zerstörungswerk des Jahres 1200 können wir die Ausstattung einer Dynastenburg des 12. Jahrhunderts kennenlernen - durch die Ausgrabungen. Das wichtigste Gebäude war der mächtige quadratische Wohnturm, neben dem der Torbau und weitere Nebengebäude eine nachrangige Rolle spielten. Die Grundfläche der Kernburg ist annähernd kreisförmig, umgrenzt von einer mehrfach gestaffelten Wall-Graben-Anlage.

Alt-Warberg

Wenn sich im späteren Burgenbau der alles überragende Turm als Wachturm und nicht als Wohnung erweist, so finden wir doch in Ummendorf noch einen echten Wohnturm aus dem späten 12. Jahrhundert vor. Dieser scheint mit dem Muster von Alt-Warberg aber kaum vergleichbar.

Ummendorf

Nehmen wir das Motiv der Rundburg auf annähernd kreisförmiger Grundfläche. Eine solche Ausführung läßt sich für die (ursprünglichen) Burgen Weferlingen und Schlanstedt wahrscheinlich machen und ist bei der Westerburg und in Zilly noch erkennbar erhalten. Wir erwähnen diese Beispiele vor allem auch, weil sich dort eine jüngere Stufe in der Bauentwicklung ausmachen läßt: an die runde Anlage wurde nämlich ein annähernd quadratisches Kastell angefügt, dreiseitig von Gebäuden umgeben und an der vierten Seite mit einer hohen Mauer ausgestattet. Wenn auch die ältere Anlage kaum zu datieren ist, so wissen wir aus den Untersuchungen Wäschers doch, daß die Kastellanbauten meist in das 13. oder frühe 14. Jahrhundert gehören. Diese Bauform - so scheint es - wurde auch für Neubauten verbindlich.

Weferlingen
Schlanstedt
Westerburg
Zilly

Zu diesen späten Neubauten gehört eine ganze Gruppe von Burgen, die nach aktueller Erfordernis von den Landesherren errichtet wurden oder zumindest mit deren Unterstützung entstanden. Zu nennen sind der Hildesheimer Bischof (Beispiel Marienburg) und der welfische Herzog des Wolfenbüttelschen Teils (Neuhaus und Schöningen, jeweils unter finanzkräftiger Beteiligung der Stadt Braunschweig).

Marienburg
Neuhaus
Schöningen

Blicken wir abschließend noch auf einen Gebäudetyp, den ich als "Wohn-Palas" bezeichnen möchte. Die verbreitete Auffassung von Palas-Bauten hat sich vor allem an der hochherrschaftlichen Sphäre geschult, wo der Saalbau als gesonderter Baukörper, rechteckig-gestreckt, zweigeschossig, mit einer Länge von 20, 30 und mehr Metern erscheint. Hingegen tritt in großer Prägnanz auf den kleineren Burgen ein Bautyp auf, der bei nicht allzugroßer Längserstreckung vier oder mehr Geschosse aufweist (Zilly, Westerburg, Lutter, Marienburg; alle 13./14.Jh.). Auf der Marienburg ist die Nutzung eines oberen Geschosses als Festsaal sicher anzunehmen. Man muß davon ausgehen, daß ein solches Gebäude dem zeitgemäßen ritterlichen Wohnstandard auf den kleineren Burgen entsprach.

Zilly
Westerburg
Lutter
Marienburg



Literatur
Eine Zusammenstellung der wichtigsten Titel findet sich unter Burgen: Literatur.
Die Frage, ob es ständig bewohnte Adelsburgen vor dem Jahre 1000 gegeben hat, muß als besonders heikel gelten. Dazu einige spezielle Hinweise. Als Einführung zu nehmen wäre Cord Meckseper, Von der frühen Burg zur Adelsburg, in: Wege in die Romanik, Hg. Ndss. Ministerium für Wirtschaft, Hannover 1993, Bd.1, S.73-78. Leicht greifbarer Überblick durch Hans-Wilhelm Heine, Burgen und Wehrbau zur Zeit Bernwards unter besonderer Berücksichtigung des Bistums Hildesheim, in: Bernward von Hildesheim und das Zeitalter der Ottonen. Katalog der Ausstellung Hildesheim, Hgg. Michael Brandt und Arne Eggebrecht, Hildesheim 1993, Bd.1, S.313-322 (bes. S.318-320). Ausführliche Darlegung von Heine: Burgen um 1000. Burgen und Wehrbau zur Zeit des Bischofs Bernward von Hildesheim (993-1022), in: Die Kunde. Zeitschrift für Ur- und Frühgeschichte, N.F.45, 1994, S.121-155.

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Impressum
http://www.region-braunschweig.de/burgen/themen/entwicklung.html, Stand: 3. November 2005